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Schatten über dem Nil – oder: Die Schlange, das Krokodil und der Tod

Ein Ägypten-Krimi. Amelia Peabody 6

©2024 542 Seiten
Reihe: Amelia Peabody, Band 6

Zusammenfassung

Friede, Freude, Flitterwochen? Nicht für abenteuerlustige Ägyptologinnen …

Ägypten, 1898. Mit Sonnenschirm und Fernglas gemütlich den Nil heraufschippern während sie das Grab der Nofretete suchen – so zumindest haben sich Ägyptologin Amelia und ihr Ehemann Radcliffe Emerson ihr neuestes Abenteuer vorgestellt. Doch ihr Versuch, mit einer Expedition aus der Glut ihrer Ehe ein neues Feuer zu entfachen, wird bald vom Auftauchen alter und neuer Feinde unterbrochen: Eine Gruppe von mysteriösen Verschwörern will Amelia dazu zwingen, ein wohl gehütetes Geheimnis zu lüften. Schon bald muss die taffe Archäologin um den Verlust von Schätzen fürchten, die viel wertvoller sind als jede Antiquität – der Liebe ihres Mannes und ihrer beider Leben …

»Die toughe Archäologin Amelia Peabody ist die perfekte Begleiterin für eine Kreuzfahrt auf dem Nil.« New York Times

»Schatten über dem Nil« ist der sechste Teil der mitreißenden Amelia-Peabody-Reihe von Elizabeth Peters und wird Fans von Agatha Christie und Dorothy L. Sayers begeistern. Die Bände der Reihe können unabhängig voneinander gelesen werden.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Über dieses Buch:

Ägypten, 1898. Mit Sonnenschirm und Fernglas gemütlich den Nil heraufschippern während sie das Grab der Nofretete suchen – so zumindest haben sich Ägyptologin Amelia und ihr Ehemann Radcliffe Emerson ihr neuestes Abenteuer vorgestellt. Doch ihr Versuch, mit einer Expedition aus der Glut ihrer Ehe ein neues Feuer zu entfachen, wird bald vom Auftauchen alter und neuer Feinde unterbrochen: Eine Gruppe von mysteriösen Verschwörern will Amelia dazu zwingen, ein wohl gehütetes Geheimnis zu lüften. Schon bald muss die taffe Archäologin um den Verlust von Schätzen fürchten, die viel wertvoller sind als jede Antiquität – der Liebe ihres Mannes und ihrer beider Leben …

Über die Autorin:

Elizabeth Peters (1927 – 2013) ist das Pseudonym von Barbara G. Mertz, einer amerikanischen Autorin und Ägyptologin. Sie promovierte am berühmten Orient-Institut in Chicago und wurde für ihre Romane und Sachbücher mit vielen Preisen ausgezeichnet. Einer dieser Preise, der »Amelia Award«, wurde sogar nach ihrer beliebten Romanfigur benannt, der bahnbrechenden Amelia Peabody. Besonders ehrte sie jedoch, dass viele ÄgyptologInnen ihre Bücher als Inspirationsquelle anführen.

Elizabeth Peters veröffentlichte bei dotbooks ihre »Vicky Bliss«-Reihe und ihre Krimireihe um Jacqueline Kirby.

Unter Barbara Micheals veröffentlichte sie bei dotbooks ihre historischen Liebesromane »Abbey Manor – Gefangene der Liebe«, »Wilde Manor – Im Sturm der Zeit«, »Villa Tarconti – Lied der Leidenschaft« und »Grayhaven Manor – Das Leuchten der Sehnsucht«.

Außerdem veröffentlichte sie unter Barbara Michaels ihre Romantic-Suspense-Romane »Der Mond über Georgetown«, »Das Geheimnis von Marshall Manor«, »Die Villa der Schatten«, »Das Geheimnis der Juwelenvilla«, »Die Frauen von Maidenwood«, »Das dunkle Herz der Villa«, »Das Haus des Schweigens«, »Das Geheimnis von Tregella Castle« und »Die Töchter von King’s Island«.

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eBook-Neuausgabe Oktober 2024

Die amerikanische Originalausgabe erschien erstmals 1992 unter dem Originaltitel »The Snake, The Crocodile & The Dog« bei Warner Books, New York. Die deutsche Erstausgabe erschien 2000 unter dem Titel »Die Schlange, das Krokodil und der Tod« bei Econ, Düsseldorf

Copyright © der amerikanischen Originalausgabe 1992 by Barbara Mertz

Published by Arrangement with Dr. Barbara Mertz c/o Dominick Abel Literary Agency Inc., 146 West 82nd Street. 1B, New York, NY, 10024 USA

Copyright © der deutschen Erstausgabe 1993 by Econ Verlag, Düsseldorf

Copyright © der Neuausgabe 2024 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Covergestaltung: Wildes Blut – Atelier für Gestaltung Stephanie Weischer unter Verwendung mehrerer Bildmotive von © shutterstock

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (vh)

ISBN 978-3- 98952-293-0

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dotbooks ist ein Verlagslabel der dotbooks GmbH, einem Unternehmen der Egmont-Gruppe. Egmont ist Dänemarks größter Medienkonzern und gehört der Egmont-Stiftung, die jährlich Kinder aus schwierigen Verhältnissen mit fast 13,4 Millionen Euro unterstützt: www.egmont.com/support-children-and-young-people. Danke, dass Sie mit dem Kauf dieses eBooks dazu beitragen!

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Elizabeth Peters

Schatten über dem Nil

Ein Ägypten-Krimi. Amelia Peabody 6

Aus dem Amerikanischen von Karin Dufner und Bernhard Jendricke

dotbooks.

Kapitel 1

»Soll die Ehe gedeihen, ist es

nötig, sein Temperament zu

zügeln.«

Meiner Ansicht nach kann ich mit bestem Wissen und Gewissen von mir behaupten, daß ich weder Gefahr noch harte Arbeit scheue. Allerdings ziehe ich erstere vor. Als einzige unverheiratete Tochter eines verwitweten und äußerst zerstreuten Vaters war ich für die Führung des Haushalts verantwortlich – wie jede Frau weiß, die schwierigste, undankbarste und am schlechtesten bezahlte (das heißt, unbezahlte) Arbeit, die es überhaupt gibt. Dank der bereits erwähnten Zerstreutheit meines Erzeugers gelang es mir jedoch zu verhindern, daß ich mich zu Tode langweilte, indem ich mich unweiblichen Beschäftigungen wie dem Studium von Geschichte und Sprachen widmete. Denn Papa kümmerte sich nicht darum, was ich tat, solange sein Essen pünktlich auf dem Tisch stand, seine Kleider gewaschen und gebügelt waren und ihn niemand störte.

Wenigstens glaubte ich, mich nicht zu langweilen. Doch in Wahrheit fehlten mir schlichtweg die Vergleichsmöglichkeiten, an denen ich mein Leben messen konnte, und auch die Hoffnung, es werde sich jemals etwas daran ändern. In jenen Jahren des ausklingenden neunzehnten Jahrhunderts stellte die Ehe für mich keine verlockende Alternative dar – ich hätte nur ein relativ bequemes Dienstbotendasein gegen die völlige Versklavung eingetauscht; das glaubte ich zumindest. (Und was die Mehrheit aller Frauen betrifft, bin ich immer noch dieser Ansicht.) Mein weiterer Lebensweg stellte sich allerdings als eben die Ausnahme heraus, die die Regel bestätigt, und hätte ich gewußt, welch ungeahnte und unvorstellbare Freuden mich erwarteten, die Fesseln, die mich gefangen hielten, wären mir unerträglich vorgekommen. Doch diese Fesseln wurden erst durchtrennt, als mich der Tod meines armen Papas zur Erbin eines bescheidenen Vermögens machte und ich aufbrach, um die antiken Stätten, die ich bis dahin nur aus Büchern und von Photographien her kannte, mit eigenen Augen zu sehen. Inmitten der Altertümer Ägyptens begriff ich endlich, was mir so lange gefehlt hatte – Abenteuer, Aufregung, Gefahren, eine Lebensaufgabe, die meinen gesamten beachtlichen Intellekt in Anspruch nahm, und die Gemeinschaft mit einem bemerkenswerten Mann, der ebenso für mich bestimmt war wie ich für ihn. Welch rasende Verfolgungsjagden! Welche Kämpfe um die Freiheit! Welch wilde Verzückung!

***

Eine gewisse Dame, Lektorin von Beruf, teilte mir mit, daß ich die Geschichte nicht richtig angefangen hätte. Sie behauptete, daß eine Autorin, will sie die Aufmerksamkeit ihrer Leserschaft fesseln, am besten mit einer gewaltsamen und/oder leidenschaftlichen Szene beginnt.

»Ich habe doch etwas von ... äh ... wilder Verzückung geschrieben«, sagte ich.

Die Dame lächelte mich nachsichtig an. »Poesie, wenn ich es recht verstehe? Poesie können wir nicht dulden, Mrs. Emerson.

Sie nimmt der Handlung den Schwung und verwirrt den normalen Leser.« (Dieses geheimnisvolle Individuum wird von Angehörigen der Verlagsbranche stets gern zu Felde geführt, und zwar in einem Tonfall, der sowohl von Herablassung als auch von abergläubischer Ehrfurcht zeugt.)

»Wir brauchen Blut«, fuhr die Dame fort, wobei ihre Stimme vor Aufregung vibrierte, »Ströme von Blut! Das dürfte Ihnen doch nicht schwerfallen, Mrs. Emerson. Soweit ich weiß, sind Ihnen schon einige Mörder über den Weg gelaufen.«

Nicht zum ersten Mal hatte ich erwogen, meine Aufzeichnungen für eine etwaige Veröffentlichung zu überarbeiten, aber ich war noch nie so weit gegangen, mich tatsächlich an einen Lektor zu wenden. Also sah ich mich gezwungen, der Dame zu erläutern, daß – falls ihre Ansichten repräsentativ für die Verlagsbranche wären –, die Verlagsbranche in Zukunft ohne Amelia P. Emerson auskommen müßte. Wie ich den schäbigen Sensationshunger verachte, durch die sich die literarischen Produkte unserer Tage auszeichnen! Die edle Kunst der Schriftstellerei ist in den letzten Jahren wahrlich tief gesunken! Ein durchdachter, lockerer Stil findet keine Anerkennung mehr. Stattdessen prügelt man den Leser zur Aufmerksamkeit, und das durch Mittel, die an die niedersten und gemeinsten menschlichen Instinkte appellieren.

Kopfschüttelnd und irgendetwas von Mord nuschelnd, schlich die Lektorin von dannen. Es tat mir leid, sie zu enttäuschen, denn sie war wirklich recht nett – für eine Amerikanerin. Ich bin mir sicher, daß man mir wegen dieser Bemerkung keinen nationalen Chauvinismus vorwerfen wird. Amerikaner haben viele bewundernswerte Eigenschaften, aber literarisches Feingefühl gehört nicht dazu. Wenn ich noch einmal mit dem Gedanken an Veröffentlichung spielen sollte, werde ich einen britischen Verleger zu Rate ziehen.

***

Eigentlich hätte ich diese naive Lektorin auch darauf hinweisen können, daß es viel Schlimmeres als Mord gibt. Mit Leichen komme ich mittlerweile gut zurecht, wenn ich so sagen darf, doch einen der schlimmsten Momente in meinem Leben durchlitt ich im letzten Winter, als ich auf allen vieren über einen mit unsäglichem Müll bedeckten Hof kroch; dorthin, wo ich hoffte, den Menschen wiederzufinden, den ich mehr liebe als mein eigenes Leben. Er war seit fast einer Woche verschwunden, und ich konnte mir nicht vorstellen, daß irgendein Gefängnis einen Mann von seiner Intelligenz und Körperkraft so lange festhalten konnte, außer ... Diese Möglichkeit war zu schrecklich, um darüber nachzudenken; die entsetzliche Sorge ließ mich meine schmerzhaft aufgeschürften Knie und die zerschundenen Hände vergessen und mir die Angst vor überall lauernden Feinden unwichtig erscheinen. Schon hing die Sonne kreisrund am westlichen Himmel. Die Schatten stachliger Gräser fielen grau auf den Boden und auf die Mauern des Hauses, das unser Ziel war. Es handelte sich um ein kleines, niedriges Gebäude aus schmutzigen Lehmziegeln, das inmitten eines mit Abfällen übersäten Hofes stand. Die beiden Wände vor mir hatten weder Fenster noch Türen. Man mußte schon ein Sadist sein, um auch nur einen Hund in einem solchen Verschlag zu halten ...

Ich schluckte und drehte mich nach meinem treuen Vorarbeiter Abdullah um, der dicht hinter mir herkroch. Er schüttelte warnend den Kopf und legte den Finger an die Lippen. Mit einem Handzeichen gab er mir zu verstehen, was er mir sagen wollte: Das Dach war unser Ziel. Er half mir hinauf und folgte mir dann.

Ein bröckeliges Sims schützte uns vor Blicken, Abdullah atmete keuchend. Er war ein alter Mann, und die Sorge und Anstrengung forderten allmählich ihren Tribut. Aber ich hatte keine Zeit, ihn zu bemitleiden – was ihm auch nicht recht gewesen wäre. Ohne innezuhalten, kroch er zur Mitte des Daches, wo sich eine kleine Öffnung von etwa dreißig Zentimetern Durchmesser auftat. Sie war mit einem rostigen Eisengitter gesichert, das an einem Vorsprung dicht unter dem Dach befestigt war. Die Stäbe waren dick und standen eng beieinander.

Sollten die langen Tage der Sorge zu Ende sein? War er in diesem Haus? Die letzten Sekunden, ehe ich die Öffnung erreichte, kamen mir unendlich lang vor. Doch sie waren nicht das Schlimmste. Das sollte erst noch kommen.

Die zweite Lichtquelle in dem stinkenden Loch dort unten war ein Spalt über der Tür. Im dämmerigen Dunkel erblickte ich in der gegenüberliegenden Ecke eine reglose Gestalt. Ich kannte diese Gestalt. Ich hätte sie in der finstersten Nacht wiedererkannt, obwohl ich ihre Gesichtszüge nicht ausmachen konnte. Mir schwindelte. Dann fiel ein Strahl der untergehenden Sonne durch die kleine Öffnung und auf ihn. Er war es! Meine Gebete waren erhört worden! Aber – oh, Himmel – waren wir zu spät gekommen? Steif und reglos lag er ausgestreckt auf der schmutzigen Pritsche. Sein Gesicht, gelb und starr, ähnelte einer wächsernen Totenmaske. Angestrengt versuchte ich, ein Lebenszeichen an ihm zu entdecken, Atemzüge ... und sah nichts.

Doch das war noch nicht das Schlimmste. Es sollte erst noch kommen.

Ja, in der Tat könnte ich, wenn ich mich der verachtenswerten Mittel bedienen würde, die der jungen Dame vorschwebten, die Geschichte so weitererzählen ..., aber ich weigere mich, die Intelligenz meines (noch) hypothetischen Lesers zu beleidigen. Und deswegen fahre ich mit meiner Erzählung in der ursprünglichen Chronologie fort.

***

Wie ich bereits sagte: »Welch rasende Verfolgungsjagden! Welch Kämpfe um die Freiheit! Welch wilde Verzückung!«

Selbstverständlich meinte Keats das in einem anderen Zusammenhang. Trotzdem bin ich schon oft verfolgt worden (manchmal rasend) und habe (erfolgreich) mehr als einmal um meine Freiheit gekämpft. Und auch der letzte Satz ist durchaus zutreffend, auch wenn ich es selbst ein wenig anders formuliert hätte.

Verfolgungsjagden, Kämpfe und das andere, obengenannte Gefühl nahmen in Ägypten ihren Anfang, wo ich zum ersten Mal auf die alte Zivilisation traf, die Inhalt meines Lebenswerks werden sollte, und dem Mann begegnete, der es mit mir teilen würde. Die Ägyptologie und Radcliffe Emerson! Diese beiden sind untrennbar miteinander verbunden, nicht nur in meinem Herzen, sondern auch in den Augen aller namhaften Wissenschaftler. Man kann durchaus sagen – und ich habe es schon oft gesagt –, daß Emerson die Ägyptologie geradezu verkörpert und der beste Forscher aller Zeiten ist. Als ich das schrieb, standen wir an der Schwelle eines neuen Jahrhunderts, und ich bezweifelte nicht, daß Emerson dem zwanzigsten ebenso seinen Stempel aufdrücken würde wie dem neunzehnten. Wenn ich noch hinzufüge, daß Emersons körperliche Merkmale unter anderem saphirblaue Augen, dicke, rabenschwarze Locken und eine Figur einschließen, die schlichtweg das Sinnbild männlicher Kraft darstellt, wird der einfühlsame Leser begreifen, warum unsere Verbindung so durch und durch befriedigend ist.

Emerson verabscheut seinen Vornamen aus Gründen, die ich nie nachvollziehen konnte. Ich habe ihn nie danach gefragt, denn ich rede ihn lieber auf eine Weise an, die von unserer Freundschaft und Gleichberechtigung zeugt und die in mir liebevolle Erinnerungen an die ersten Tage unserer Bekanntschaft wachruft. Ebenso verabscheut Emerson Titel. Diese Abneigung hat ihren Ursprung in seiner radikalen Weltanschauung. Er beurteilt einen Mann (und eine Frau, wie ich wohl kaum hinzufügen muß) nach Fähigkeiten und nicht nach Rang und Stellung. Anders als die meisten Archäologen lehnt er die blumigen Ehrenbezeugungen ab, mit denen die Fellachen Ausländer bedenken. Seine ägyptischen Arbeiter, die ihn sehr bewunderten, haben ihm respektvoll den Beinamen »Vater der Flüche« verliehen, und ich muß zugeben, daß sie damit den Nagel auf den Kopf getroffen haben.

Meine Verbindung mit diesem bewundernswerten Menschen verhalf mir zu einem Leben, das ganz nach meinem Geschmack war. Emerson akzeptierte mich als gleichberechtigte Partnerin sowohl im Beruf als auch in der Ehe, und wir verbrachten die Winter an verschiedenen Ausgrabungsstätten in Ägypten» Ich muß hinzufügen, daß ich die einzige Frau war, die sich dieser Arbeit widmete – was traurige Schlüsse auf die Einschränkungen zuläßt, denen das weibliche Geschlecht im späten neunzehnten Jahrhundert unterworfen war –, und ohne die hundertprozentige Unterstützung meines außergewöhnlichen Ehemannes wäre mir das nie möglich gewesen. Emerson redete mir gar nicht zu, ich solle mich beteiligen, er nahm es als selbstverständlich. (Ich nahm es auch als selbstverständlich, was zu Emersons Haltung beigetragen haben mag)

Aus Gründen, die ich mir nie erklären konnte, wurden unsere Ausgrabungen häufig durch Aktivitäten krimineller Natur gestört: Mörder, wandelnde Mumien und Meisterverbrecher hielten uns von der Arbeit ab; wir schienen Grabräuber und mordgierige Individuen regelrecht anzuziehen. Alles in allem hätte das Leben wunderschön sein können. Es hatte nur einen kleinen Makel in Gestalt unseres Sohnes, Walter Peabody Emerson, Freunden und Feinden gleichermaßen unter dem Spitznamen »Ramses« bekannt.

Daß alle kleinen Jungen Rabauken sind, ist eine allgemein anerkannte Tatsache. Ramses, der seinen Namen einem Pharao verdankt, dem er in Sturheit und Arroganz in nichts nachstand, hatte alle für sein Alter und Geschlecht typischen Unzulänglichkeiten: eine unglaubliche Liebe zum Dreck und faulenden, stinkenden Objekten, eine kaum vorstellbare Gleichgültigkeit, was sein eigenes Überleben betraf, sowie völlige Ignoranz gegenüber den Regeln des gesellschaftlichen Umgangs. Dazu kamen die für ihn charakteristischen Eigenschaften, die ihn noch unerträglicher machten. Seine Intelligenz war (nicht weiter überraschend) hoch entwickelt, doch sie äußerte sich auf recht beunruhigende Weise. Sein Arabisch war auffallend flüssig (woher er all die Wörter hatte, ist mir ein Rätsel; von mir ganz bestimmt nicht); ägyptische Hieroglyphen konnte er ebenso gut lesen wie viele erwachsene Wissenschaftler; und er hatte die unheimliche Fähigkeit, mit Tieren jeglicher Spezies (außer der zweibeinigen) zu kommunizieren. Er ... Aber Ramses außergewöhnliche Wesensart zu schildern, würde sogar meine literarischen Fähigkeiten übersteigen.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Neuausgabe
Erscheinungsjahr
2024
ISBN (eBook)
9783989522930
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2024 (Oktober)
Schlagworte
Historischer Kriminalroman Ägypten-Roman Cosy Krimi Ägypten-Krimi Agatha Christie Enola Holmes M. C. Beaton Dorothy L. Sayers Miss Fishers mysteriöse Mordfälle eBooks
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Titel: Schatten über dem Nil – oder: Die Schlange, das Krokodil und der Tod