Lade Inhalt...

Die Abgründe einer Familie

Roman: Ein fesselnder Spannungsroman über tödliche Rivalitäten in einer Mafia-Familie

667 Seiten

Zusammenfassung

Machtkämpfe, Intrigen und unverzeihliche Grausamkeiten …

Zwei Männer, die das Gleiche wollen, sind wie eine Ladung Sprengstoff neben einer Feuerstelle … Die Familie Jackson regiert die Londoner Unterwelt. Während der unkontrollierte Freddy Jackson für seinen Boss ins Gefängnis wandert, arbeitet sich sein Cousin, der brillante Jimmy, immer weiter hoch und wird zum Nachfolger des Familienoberhaupts bestimmt. Er verlässt das Sozialbauviertel, heiratet die schöne und kluge Maggie und führt erfolgreich die Geschäfte der Familie. Doch damit zieht er den abgrundtiefen Hass von Freddy auf sich, der sich um seinen Platz in der Familie – und in Maggies Bett – betrogen sieht. Wird die Rivalität der Cousins das Ende der Jacksons einläuten?

»Beängstigend, packend und absolut kompromisslos.« Daily Express

Eine düstere Familiensaga der britischen Bestsellerautorin, die wie gemacht ist für alle Fans von Peaky Blinders und Jeffrey Archer!

»Gut recherchierte Milieu-Studie, ungeschminkt und hart dargestellt.« T. Häcker auf Amazon.de

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Über dieses Buch:

Zwei Männer, die das Gleiche wollen, sind wie eine Ladung Sprengstoff neben einer Feuerstelle … Die Familie Jackson regiert die Londoner Unterwelt. Während der unkontrollierte Freddy Jackson für seinen Boss ins Gefängnis wandert, arbeitet sich sein Cousin, der brillante Jimmy, immer weiter hoch und wird zum Nachfolger des Familienoberhaupts bestimmt. Er verlässt das Sozialbauviertel, heiratet die schöne und kluge Maggie und führt erfolgreich die Geschäfte der Familie. Doch damit zieht er den abgrundtiefen Hass von Freddy auf sich, der sich um seinen Platz in der Familie – und in Maggies Bett – betrogen sieht. Wird die Rivalität der Cousins das Ende der Jacksons einläuten?

Über die Autorin:

Martina Cole ist eine britische Spannungs-Bestsellerautorin, die bekannt für ihren knallharten, kompromisslosen und eindringlichen Schreibstil ist. Ihre Bücher wurden für Fernsehen und Theater adaptiert und in zahlreiche Sprachen übersetzt. Martina Cole hält regelmäßig Kurse für kreatives Schreiben in britischen Gefängnissen ab. Sie ist Schirmherrin der Wohltätigkeitsorganisation »Gingerbread« für Alleinerziehende und von »Women's Aid«.

Die Website der Autorin: martinacole.co.uk/

Die Autorin bei Facebook: facebook.com/OfficialMartinaCole/

Bei dotbooks veröffentlichte Martina Cole »Die Gefangene«, »Die Tochter«, »Kidnapped«, »Perfect Family«, »The Runaway«, »Eine irische Familie«, »Die Ehre der Familie«, und »Die Abgründe einer Familie«.

***

eBook-Neuausgabe Januar 2025

Die englische Originalausgabe erschien erstmals 2005 unter dem Originaltitel »The Take« bei Headline Book Publishing, London. Die deutsche Erstausgabe erschien 2008 unter dem Titel »Die Schwester« bei Heyne.

Copyright © der englischen Originalausgabe 2005 by Martina Cole

Copyright © der deutschen Erstausgabe 2008 by Wilhelm Heyne Verlag, München in der Verlagsgruppe Random House

Copyright © der Neuausgabe 2025 dotbooks GmbH, München

Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30161 Hannover.

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Wildes Blut – Atelier für Gestaltung Stephanie Weischer unter Verwendung mehrerer Bildmotive von © shutterstock

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (vh)

ISBN 978-3-98952-669-3

***

dotbooks ist ein Verlagslabel der dotbooks GmbH, einem Unternehmen der Egmont-Gruppe. Egmont ist Dänemarks größter Medienkonzern und gehört der Egmont-Stiftung, die jährlich Kinder aus schwierigen Verhältnissen mit fast 13,4 Millionen Euro unterstützt: www.egmont.com/support-children-and-young-people. Danke, dass Sie mit dem Kauf dieses eBooks dazu beitragen!

***

Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit gemäß § 31 des Urheberrechtsgesetzes ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: info@dotbooks.de. Mit herzlichem Gruß: das Team des dotbooks-Verlags

***

Sind Sie auf der Suche nach attraktiven Preisschnäppchen, spannenden Neuerscheinungen und Gewinnspielen, bei denen Sie sich auf kostenlose eBooks freuen können? Dann melden Sie sich jetzt für unseren Newsletter an: www.dotbooks.de/newsletter (Unkomplizierte Kündigung-per-Klick jederzeit möglich.)

***

Besuchen Sie uns im Internet:

www.dotbooks.de

www.facebook.com/dotbooks

www.instagram.com/dotbooks

blog.dotbooks.de/

Martina Cole

Die Abgründe einer Familie

Thriller

Aus dem Englischen von Bea Reiter

dotbooks.

Widmung

Für

Mr and Mrs Whiteside Christopher und Karina

Mit herzlichen Grüßen an euch beide.

Und für

Lewis und Freddie, meine beiden kleinen Kahuna-Burger!

Ich möchte mich bei allen bedanken, die mir in den langen

Nächten des Schreibens Gesellschaft geleistet haben.

Beenie Man, David Bowie, Pink Floyd, Barrington Levy, Usher, 50 Cent, Free, Ms Dynamite, The Stones, The Doors, Oasis, The Prodigy, Bob Marley, Neil Young, Otis Redding, Isaac Hayes, Janis Joplin, Ian Dury, Clint Eastwood & General Saint, Bessie Smith, Muddy Waters, Charles Mingus, Edith Piaf, Canned Heat, Steel Pulse, Peter Tosh, Alabama 3 ... und viele andere.

Prolog

1984

Lena Summers sah ihre älteste Tochter ungläubig an. »Das ist jetzt nicht dein Ernst, oder?«

Jackie Jackson lachte dröhnend. Sie hatte ein lautes Lachen, das sie sehr fröhlich klingen ließ. Und sehr glücklich. Es war ein Lachen, das über die dahinter verborgene Rachsüchtigkeit hinwegtäuschte.

»Es wird ihm gefallen, Mum, und nach sechs Jahren im Knast ist eine Party genau das Richtige für ihn.«

Lena schüttelte den Kopf und seufzte. »Bist du übergeschnappt? Du willst eine Party für ihn geben, nach allem, was er sich in den letzten Jahren geleistet hat?« Jetzt klang ihre Stimme wütend. »Der ist den Flittchen doch noch hinterhergestiegen, als sie ihn schon längst eingebuchtet hatten!«

Jackie kniff die Augen zu, als könnte sie dadurch die Wahrheit ausschließen, die ihr ihre Mutter an den Kopf warf. Sie kannte ihn besser als alle anderen, ihr brauchte man nicht zu sagen, wie ihr Mann war.

»Hör auf, Mum. Er ist mein Mann und der Vater meiner Kinder. Jetzt, nachdem er seine Lektion gelernt hat, werden wir uns schon wieder zusammenraufen.«

Lena schnaubte empört. »Bist du wieder auf Drogen?«

Jackie seufzte laut und musste sich beherrschen, um die Frau vor sich nicht anzuschreien. »Jetzt sei doch nicht albern. Ich will ihn doch nur zu Hause willkommen heißen, das ist alles.«

»Ohne mich.«

Jackie zuckte die breiten Schultern. »Mach, was du willst.«

Joseph Summers steckte den Kopf hinter seiner Zeitung hervor und brummte: »Rede nicht so mit deiner Mutter.«

Jackie verzog in gespielter Überraschung das Gesicht und sagte in sarkastischem Ton, als würde sie mit einem Baby reden: »Ah, verstehe, Dad. Du brauchst mal wieder ein paar Pfund, stimmt’s?«

Lena unterdrückte ein Lächeln. Trotz ihrer vielen Fehler hatte Jackie ein fast schon unheimliches Gespür dafür, stets den sprichwörtlichen Nagel auf den Kopf zu treffen. Ihr Mann versteckte sein Gesicht wieder hinter der Zeitung, und Jackie grinste ihre Mutter an.

»Jetzt sag schon Ja, Mum. Seine Familie wird jedenfalls vollzählig erscheinen.«

Lena schob das Kinn vor und griff nach ihren Zigaretten. »Noch ein Grund mehr, nicht hinzugehen. Mit diesen verdammten Jacksons hat man nur Ärger. Du weißt doch, was passiert ist, als wir uns das letzte Mal gesehen haben«, sagte sie trotzig.

Jackie wurde schon wieder wütend, was ihr deutlich anzumerken war. Ihre groben Gesichtszüge verzerrten sich, als sie mit sichtlicher Anstrengung versuchte, sich zu beherrschen.

»Daran bist du selbst schuld gewesen, Mum, und das weißt du auch«, stieß sie zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.

Ihre Hände waren zu Fäusten geballt, und Lena starrte ihre älteste Tochter an, während sie sich über ihre unbändige Wut wunderte. Jackie war schon als Kind so gewesen, ein Wort genügte, um einen Wutanfall bei ihr auszulösen.

In den Augen ihrer Tochter standen Tränen. Lena wusste, dass sie ihre Tochter jetzt beruhigen musste, ansonsten hatte sie die Konsequenzen zu tragen. Und offen gestanden war sie müde, müde und mehr als nur ein bisschen daran interessiert, was das Gefängnis aus ihrem Schwiegersohn gemacht hatte.

»Also gut. Und jetzt krieg dich wieder ein.«

»Ich geh da jedenfalls nicht hin.« Joe stand auf und verließ laut polternd das Zimmer. Sie hörten, wie er in der Küche den Kessel aufsetzte.

»Ich bringe ihn schon dazu, dass er mitkommt. Mach dir keine Sorgen.«

Sie bereute ihre Entscheidung jetzt schon.

»Jetzt seht ihn euch an. Man könnte meinen, er wäre gerade aus dem Gefängnis gekommen!«

Die Männer lachten.

Sie konnten den pickligen Hintern ihres Freundes sehen, als dieser die zierliche Asiatin bearbeitete, die sie am Abend vorher für ihn gekauft hatten. Genau genommen war er gestern aus Shepton Mallet entlassen worden, wo er die letzten sechs Wochen verbracht hatte. Es war ein offenes Gefängnis, und seine Freunde hatten ihn mit einer großen Limousine, seiner Freundin Tracey und jeder Menge Alkohol abgeholt. Tracey war schon völlig erschöpft gewesen, als sie noch nicht einmal den Straßentunnel in Dartford erreicht hatten, sodass er sie sehr zu ihrem Verdruss vor dem Crossways Hotel aus dem Wagen geworfen hatte. Dann waren sie nach London weitergefahren, wo er alles gebumst hatte, was einen Puls besaß. Er hätte schon längst zu Hause sein sollen, aber keiner von ihnen hatte den Mut, ihn darauf hinzuweisen. Er war betrunken, aggressiv betrunken, und niemand wollte ihn reizen. Freddie Jackson war jemand, der einem das Leben ganz schön schwer machen konnte, und so sehr sie ihn auch mochten, er war außerdem auch noch ein Scheißkerl.

Er hatte gerade sechs Jahre einer neunjährigen Gefängnisstrafe für unerlaubten Waffenbesitz, versuchten Mord und Körperverletzung abgesessen und war stolz darauf. Im Knast hatte er mit Männern verkehrt, die für ihn die Crème de la Crème der Unterwelt waren, und jetzt, wo er wieder draußen war, hielt er sich für einen von ihnen.

Dass die anderen alle mindestens fünfzehn Jahre abzusitzen hatten, war ihm egal. Seiner Meinung nach war er Sonny Corleone. Er war ein Mann, mit dem nicht zu spaßen war.

Freddie Jackson hatte Sonny geradezu vergöttert und nie verstanden, weshalb man seinen Charakter im Film hatte sterben lassen. Er war der Boss gewesen und hatte weitaus bedrohlicher gewirkt als dieser zu kurz geratene Arsch Michael. Freddie hielt sich für den Paten von South East London.

Mit dem Herumgammeln war jetzt Schluss. Er wollte den Hauptgewinn und war fest entschlossen, ihn zu bekommen.

Er rollte sich von dem schwitzenden Mädchen herunter. Sie war hübsch, und ihr leeres Gesicht bestätigte ihm wieder einmal, wozu Frauen gut waren.

Freddie sah auf die Uhr und seufzte. Wenn er jetzt nicht seinen Hintern in Bewegung setzte, würde ihm Jackie die Eier abreißen. Er lächelte das Mädchen an, dann sprang er vom Bett und sagte laut: »Los, Jungs, zack, zack, ich muss mich mit jemandem wegen einer Zeugenaussage unterhalten.«

Danny Baxter stöhnte innerlich, doch nach außen hin tat er so, als wäre er hellauf begeistert. Er hatte vergessen, wie hektisch und gefährlich das Leben mit Freddie Jackson sein konnte.

Freddies Cousin Jimmy Jackson lächelte wie die anderen Männer. Er war eine verwässerte Version von Freddie und wollte so sein wie er. Seinen Cousin hatte er regelmäßig im Gefängnis besucht, und Freddie war ihm dankbar dafür. Er mochte den Jungen, schließlich war er ja kein Unmensch. Außerdem war Jimmy nur neun Jahre jünger als Freddie. Sie hatten vieles gemeinsam.

Heute wollte er Jimmy zeigen, zu was er fähig war.

Maggie Summers war vierzehn, wirkte aber wie achtzehn. Sie sah aus wie ihre ältere Schwester, aber in einer kleineren, zierlicheren Version. Ihre Haut hatte noch den makellosen Schimmer extremer Jugend, und ihre regelmäßigen weißen Zähne trugen noch nicht die unschönen Spuren, die nach Jahren des Rauchens oder der Vernachlässigung auftreten. Ihre großen blauen Augen lagen weit auseinander und wirkten freundlich. Wie ihre ältere Schwester war sie in der Lage, selbst auf sich aufzupassen; doch im Gegensatz zu dieser war das bei ihr nicht oft notwendig. Noch nicht.

Bei einer Größe von einem Meter zweiundfünfzig hatte sie sehr lange Beine. Sie war sich gar nicht bewusst, wie hübsch sie war. In ihrer Schuluniform, die aus einem schwarzen Minirock, einer weißen Bluse und einem marineblauen Pullover bestand, sah sie aus, als würde sie gerade von der Arbeit und nicht aus der Schule kommen. Genau dieser Eindruck war auch beabsichtigt.

Lisa Dolan, die mal Freundin, mal Feindin war, sagte fröhlich: »Stimmt das, dass deine Schwester heute Abend eine Party gibt?«

Maggie nickte. »Ich helfe ihr dabei. Willst du mitkommen?« Lisa grinste glücklich. »Ja, klar!«

Wenn sie mithalf, bekam sie mit Sicherheit auch eine Einladung. Sie passten ihre Schritte an, sodass sie nebeneinander hergingen. Lisa, ein dunkelhaariges Mädchen mit hervorstehenden Zähnen, sagte leise: »Gina hat behauptet, Freddie Jackson sei gestern schon rausgekommen. Das kann doch nicht stimmen, oder?«

Maggie seufzte. Gina Davis war Tracey Davis’ Schwester, und das bedeutete, dass an dem, was sie sagte, etwas Wahres dran sein konnte. Es bedeutete auch, dass Jackie ausrasten würde, wenn sie davon erfuhr. Tracey hatte Freddie im Gefängnis besucht, aber sie hatte immerhin so viel Verstand besessen, dem Prozess fernzubleiben. Maggie war davon ausgegangen, dass die Affäre im Sand verlaufen war, aber da hatte sie sich wohl geirrt. Ihre Mum hatte immer wieder davon angefangen, weil sie es hasste, dass ihre Schwester ständig von ihrem Mann gedemütigt wurde. Lena war selbst zu dem Mädchen gegangen und hatte sich von Traceys gereiztem Vater versichern lassen, dass alles vorbei sei. Tracey war damals erst fünfzehn gewesen. In den vier Jahren, die seitdem vergangen waren, hatte sie Zwillingsjungen bekommen, die aber mit Sicherheit nicht von Freddie stammen konnten, da sie erst achtzehn Monate alt waren. Ehrlich gesagt hatte selbst Tracey keine Ahnung, wer der Vater war, aber sie war Freddie Jacksons Typ – groß, atmend und mit zwei Brüsten. Lena zufolge war das alles, was Freddie erwartete.

Maggie hatte dank ihrer Mutter gute Kenntnisse über alles und jeden in ihrer Umgebung. Lena hatte gegen jeden etwas in der Hand, und was sie nicht wusste, konnte sie mit ihrem untrüglichen Gespür herausfinden. Doch bis jetzt hatte Maggie noch nichts darüber gehört, dass Freddie früher aus dem Gefängnis gekommen war.

»Ich hasse diese Gina. Sie ist eine Lügnerin, und wenn meine Schwester wüsste, was sie gesagt hat ...«

Maggie sprach den Satz nicht zu Ende. Sie brauchte gar nicht deutlicher zu werden. Lisa war bestimmt nicht scharf darauf, von Jackie ins Kreuzverhör genommen zu werden, und würde diese Information hoffentlich für sich behalten.

Lisa, die jetzt etwas blasser, aber vorgewarnt war, wechselte schnell das Thema.

Leon Butcher war ein kleiner, rundlicher Mann mit Tabakflecken auf den Zähnen und einem Bierbauch. Er lebte mit seiner Mutter und jeder Menge Gerümpel in einer Zweizimmer-Sozialwohnung. Anders ausgedrückt, er war Pfandleiher und borgte den Leuten kleinere Geldsummen für Wertsachen, in der Regel Schmuck. Heute sah er sich einen Memoire-Ring aus achtzehnkarätigem Gold mit Brillanten an. Der Ring war ein Prachtstück, mit lupenreinen Diamanten und einer schönen Fassung. Er lächelte das junge Mädchen vor sich an, das den Ring mit Sicherheit einer Verwandten gestohlen hatte. Sie hatte die eingefallenen Augen einer Heroinsüchtigen, und er sagte freundlich: »Ein Fünfziger, das ist alles.«

Der Ring war zehnmal so viel wert, und das wusste sie auch.

Er warf ihn auf den schmierigen Küchentisch und legte seine Juwelierlupe weg, dann zündete er sich eine Zigarette an und machte einen tiefen Zug. Er konnte warten. Dieses Spiel hatte er schon oft gespielt.

»In Ordnung«, sagte das Mädchen nach einer halben Ewigkeit leise.

Er zog eine Küchenschublade auf und nahm ein Bündel Geldscheine heraus. Als er sich wieder umdrehte, sah er, dass Freddie Jackson in der Tür stand.

»Hallo, Leon.« Freddie grinste betrunken. »Ist das Geld für mich?«

Das Mädchen stand zögernd auf. Es spürte, dass etwas nicht in Ordnung war.

»Her damit. Das ist meine Entschädigung.«

Leon gab es ihm mit zitternden Händen.

Schnell zählte Freddie fünf Zwanziger ab und gab die Scheine dem Mädchen. »Ist das dein Ring, Schätzchen?«

Sie nickte.

»Nimm ihn wieder mit, und vergiss, dass du hier gewesen bist, in Ordnung?« Er lächelte sie an, und plötzlich sah sein attraktives Gesicht freundlich und zugänglich aus.

Das Mädchen nahm den Ring und verließ fluchtartig die Wohnung.

»Ganz allein, Leon?« Freddie ging drohend auf den kleineren Mann zu.

»Was willst du, Freddie?«

Freddie sah ein paar Sekunden auf ihn hinunter, bevor er ganz ruhig sagte: »Was ich will, Leon? Ich will dich.«

Als er Leon einen Kopfstoß verpasste, sank der Mann auf die Knie. Dann stieß ihm Freddie sein Knie ins Gesicht, was Leons Kopf nach hinten gegen die Küchenschränke aus Melamin krachen ließ. Leon fiel zur Seite, rollte sich zu einem Ball zusammen und steckte die Fußtritte Freddies ohne einen Laut ein. Als Freddie müde war, starrte er die blutige Masse zu seinen Füßen an und sagte: »Du hinterhältiges Arschloch. Wie kannst du es wagen, mich anzuzeigen? Und jetzt sag schon, wo der Schmuck ist.«

Leon hatte Schmerzen, und ein schneller Tritt in den Unterleib ließ ihn laut aufschreien. »Im Schlafzimmer.«

Freddie riss den Mann unsanft hoch und warf ihn quer durch die Küche. »Geh ihn holen.«

Er folgte Leon in das kleine Schlafzimmer und sah zu, wie es diesem nur mit Mühe gelang, einen Kasten aus Holz unter dem Bett hervorzuziehen.

Als Freddie ihn aufmachte, sah er, dass er bis zum Rand mit Geldbündeln und einem kleinen Vermögen an Schmuck gefüllt war. Er nahm den Kasten und klemmte ihn sich unter den Arm.

»Du hast mich sechs Jahre meines Lebens gekostet, Leon. Ich würde dir raten, möglichst bald von hier wegzuziehen, andernfalls komme ich wieder. Ist das klar?«

Leon hielt sich immer noch auf den Beinen, und insgeheim bewunderte ihn Freddie dafür. Er hatte ihm eine gehörige Tracht Prügel verabreicht, und der Mann würde wochenlang Blut pissen. Aber Freddie hatte sich durchgesetzt.

Leon war nur Zeuge gewesen, und dafür konnte er eigentlich nichts. Die Bullen hatten ihn zu der Aussage gezwungen, was Freddie auch wusste, aber das war keine Entschuldigung für Leons Verrat. Er hätte seine Zeit im Knast absitzen sollen, anstatt sich dafür zu entscheiden, Freddie ans Messer zu liefern.

Als Freddie die Wohnung verließ, pfiff er vor sich hin. Es war in jeder Hinsicht ein erfolgreicher Tag gewesen.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Neuausgabe
ISBN (eBook)
9783989526693
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2025 (Januar)
Schlagworte
Spannung Familiensaga Mafia-Roman Mafia-Thriller Brit-Crime Ken Follet Jeffrey Archer Peaky Blinders Tana French eBook
Zurück

Titel: Die Abgründe einer Familie