Lade Inhalt...

Das Gemälde der Principessa

Roman | Eine Geschichte zwischen Liebe und Macht zu Zeiten Leonardo da Vincis

©2025 338 Seiten

Zusammenfassung

Welches Geheimnis kann ein Bild verbergen?

Nichts berührt Ina so sehr wie die Welt der Farben und der Kunst. Doch seit einem tragischen Ereignis vor zehn Jahren kann sie nicht mehr malen. Als sie bei einer Auktion das Portrait einer jungen Frau entdeckt, ist Ina überzeugt davon, dass es sich um ein verschollenes Werk des großen Leonardo da Vinci handeln muss – und setzt alles daran, die Wahrheit herauszufinden …
1493: Georg Tannstetter, Sterndeuter und Leibarzt von Maximilian I., wird nach Mailand ausgesandt, um ein Gemälde der zukünftigen Braut des Kaisers zu beauftragen. Doch weshalb darf er die Principessa Bianca Sforza nie selbst zu Gesicht bekommen? Je länger er in Mailand bleibt, wo er auch dem gefeierten Künstler Leonardo da Vinci begegnet, desto klarer wird Tannstetter, dass die Sforzas ein Netz aus Lügen und Täuschungen spinnen, in das er selbst immer tiefer hineingerät …

»Stephanie Schuster kennt sich aus mit dem Verfassen guter, spannender, lesenswerter Bücher.« Süddeutsche Zeitung

Ein genauso packender wie berührender Roman – für alle Fans von Noah Martin und Tracy Chevalier.

»Ein atmosphärischer, inspirierender, farbenprächtiger Roman über den Kosmos der schönen Künste und die Kraft der Kreativität.« Amazon-Rezensentin

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Motto

Wissen beginnt mit Liebe.

Leonardo da Vinci

Widmung

Für Thomas, meinen uomo universale

Erster Teil

London, München, Mailand 1493 und heute

Darum Forscher, verlasst Euch nicht auf die Schriftsteller, die nur in der Phantasie Mittler zwischen der Natur und dem Menschen spielen, sondern auf diejenigen, die ihren Verstand nicht an den Erscheinungen der Natur, sondern an den Ergebnissen ihrer Versuche geübt haben.

Leonardo da Vinci

Kapitel 1 ‒ Der Rotmilan

London, Stadtteil Mayfair

Ina Kosmos musste das Bild unbedingt besitzen. Sie zwängte sich durch die voll besetzten Stuhlreihen des feierlich beleuchteten Saals und huschte an der Theke mit den Telefonbietern vorbei. Dabei tat sie so, als gehörte sie zu Sotheby’s, und stellte sich ganz nach vorn zu den Mitarbeitern. Sie verschränkte die Hände und senkte den Blick, harrte Minuten, Sekunden, Augenblicke. Endlich hob der Auktionator die Stimme. Die mit Samt bezogene Wand drehte sich und präsentierte das Porträt. Wie durch ein Wunder flog genau in diesem Augenblick ein Vogel herein und sorgte für die nötige Ablenkung. Ein Greifvogel mit leuchtend orangerotem Gefieder schickte einen hohen, durchdringenden Schrei voraus, breitete seine mächtigen Schwingen aus und kreiste durch den Auktionssaal. Ein Tumult entstand. Männer hielten ihre Notebooktaschen hoch wie Schilde. Frauen schlangen die Arme um ihre Frisuren, als hielte der Rotmilan Ausschau nach einem Nest. Die Auktionshelfer versuchten den Vogel zu verscheuchen, fuchtelten mit den Armen, klatschten tonlos in ihre behandschuhten Hände. Das war Inas Moment. Sie wandte sich um, nahm das Bild, das kaum größer als ein DIN-A-4-Blatt war, schob es unter ihr Jackett und schlüpfte durch eine Seitentür hinaus. Sie hörte, wie sich das Wachpersonal in Bewegung setzte und hinter ihr herrief. Der Alarm schrillte im ganzen Haus, sie sah sich schon umzingelt und in Handschellen abgeführt.

Jemand stieß sie in die Rippen, drängte sich an ihr vorbei und holte sie in die Wirklichkeit zurück. Um ein Haar wäre ihr die Siebenhundertzwölf aus der Hand geglitten, ihre Bieternummer, die sie sich mühsam erkämpft hatte. Rasch schob sie sie in den Katalog, um die Seite mit dem Porträt zu markieren. Der Druck in ihren Ohren verstärkte sich wieder. Sie brauchte das Bild, würde es ersteigern und die Galerie retten. Ina presste den Katalog an sich und reckte den Kopf, als es losging. Von ihrem Stehplatz ganz hinten hatte sie Mühe über die vielen Leuten hinweg nach vorn zu sehen.

»Wir kommen zu dem Porträt einer jungen Frau, Nummer zweitausendfünfhundertdreiundachtzig. Alte deutsche Schule, frühes neunzehntes Jahrhundert.« Der Auktionator schob seine schmale Brille auf die Stirn und sprach in sein Mikrofon. »Ich beginne mit viertausendvierhundert Pfund.« Auf einem Bildschirm über seinem Pult erschien die Summe. »Wer bietet mehr?« Es dauerte einen Atemzug lang, bis jemand seine Nummer hob. »Viertausendfünfhundert.« Er zeigte auf eine langhaarige Frau in der zweiten Reihe. Wieder ging eine Zahl nach oben. »Viertausendsechshundert.« Ein Bieter ganz rechts an der Wand. »Viertausendsiebenhundert.« Die Frau vorn meldete sich erneut. »Viertausendachthundert«, schaltete sich jemand übers Telefon dazu. Die Gebote stiegen im Sekundentakt, fünftausend, fünftausendfünfhundert, sechstausend. Der Auktionator bewegte die Arme in rascher Folge, als wollte er durch die Zurufe kraulen. Verblüffend hohe Beträge für das kleine Gemälde, das laut Beschreibung im Katalog bloß dreiunddreißig mal vierundzwanzig Zentimeter maß. Anscheinend hatte nicht nur Ina den Widerspruch zwischen der Machart und dem Katalogtext entdeckt, der behauptete, es stamme aus dem neunzehnten Jahrhundert. Die Art der Darstellung im Profil, der Haarschmuck und die Kleidung erinnerten jedoch eher an Botticelli, die feine Schraffur und der Gesichtsausdruck an Leonardo da Vinci. Wenn ihre Vermutung stimmte und das Porträt nur ein paar Hundert Jahre älter war als ausgeschrieben, wäre es ihre Rettung. Ihr Puls beschleunigte sich. Dass Leonardo das Bild selbst gemalt hatte, war natürlich nahezu unmöglich. Von ihm existierten bloß noch wenige Gemälde oder waren ihm zumindest von Experten zugeordnet worden. In einem renommierten Auktionshaus wie diesem würde kaum ein falsch etikettiertes Bild mit seiner Handschrift auftauchen. Trotzdem gefiel Ina der Gedanke, dass es aus der Renaissance stammen könnte. Möglicherweise hatte es einer seiner Schüler oder ein Zeitgenosse gemalt. Ein grobmaschiges Netz hielt das Haar der jungen Frau am Hinterkopf zusammen, ging in einen mit Bändern durchflochtenen langen Zopf über. Sie trug ein Oberteil aus mehreren Schichten, wie es zu Leonardos Zeit üblich war. Ernst blickte sie über den Bildrand hinaus, und zugleich war es, als sähe sie aus dem Augenwinkel den Betrachter an und schaute in sein Inneres.

Wie ein Nadelstich hatte Ina dieser Blick getroffen, als sie durch den Katalog geblättert hatte. Als wüsste die Porträtierte, was in ihr vorging und wonach sie sich sehnte. Dass ihr mehr fehlte als Geld und alles um sie herum zu zerbrechen drohte. Ina wollte das Bild ersteigern und danach mit Gewinn weiterverkaufen. Damit würde alles wieder ins Lot kommen. Sie konnte immer noch nicht glauben, dass Doris die Galerie aufgeben wollte. Nichts hatte in den vergangenen Wochen darauf hingedeutet. Ina hatte angenommen, dass sie auf ihrer Reise das zehnjährige Bestehen von Schimmer & Kosmos planten. In London und Umgebung ein paar Kollegen besuchen und sich Anregungen für eine besondere Ausstellung holen würden. Doch egal, wen sie trafen, Doris erwähnte das Jubiläum nicht, sprach nicht einmal von der Galerie, als gebe es sie gar nicht. Beim Hinflug redete sie hauptsächlich von ihrem Mann und ihren beiden Kindern. Dann platzten plötzlich fast alle Termine. Dem einen war ins Auto eingebrochen worden, der andere war krank, die dritte hatte gedacht, das vereinbarte Treffen wäre erst in der darauffolgenden Woche. Nur mit Nicolas Hurst, einem der Kuratoren der Tate Modern, tranken sie Kaffee. Im Gespräch verlor Doris kein Wort über Schimmer & Kosmos, fiel Ina sogar ins Wort, als sie ihre gemeinsame Arbeit zur Sprache bringen wollte, als wäre es ihr peinlich, ihre Galerie mit dem größten Museum für moderne Kunst in Verbindung zu bringen. Dabei gab es die durchaus. Iwako Keruani, ein nigerianischer Künstler, der mit Ina und Doris in München Kunst studiert hatte, hatte schon lange bevor die Tate Modern seine Werke zeigte, bei ihnen ausgestellt. Als Hurst sie bat, ihm ein aktuelles Portfolio ihrer Galerie zu schicken, wechselte Doris das Thema. Früher hätten sie so etwas mit Champagner gefeiert. Hinterher, im strömenden Regen auf dem Weg zur Bushaltestelle, fragte Ina ihre Freundin, was das sollte.

Doris eilte voraus, schlängelte sich mit schnellem Schritt an den Pfützen vorbei. Ina versuchte sie einzuholen. Endlich wandte Doris sich um, wischte sich übers Gesicht. »Es wird keine Galerie mehr geben. Es lohnt sich einfach nicht. Der Zeitaufwand für so wenig Umsatz. Weder du noch ich können davon leben. Außerdem möchte ich mehr für die Familie da sein, Heio braucht mich, und die Kinder sowieso.«

Ina war außer sich. »Und die Kunst? Bedeutet sie dir nichts mehr?«

»Ich habe den Mietvertrag bereits gekündigt.«

»Du hast was?« Ina bebte, ließ sich auf einem der Drahtsitze des Bushäuschens nieder.

Doris blieb stehen. »Wie lange willst du anderen noch Hoffnung auf den großen Durchbruch machen? Willst du mit bald vierzig etwa noch einen Job annehmen, nur damit du allein die Galerie weiterfinanzieren kannst?«

Das traf, weil es stimmte. Ina lebte von Jobs, die zwar alle mit Kunst zu tun hatten, aber keine Kunst waren. Und, was noch schlimmer war, sie malte selbst nicht mehr, keine Bilder, keine Skizzen, ja, nicht einmal beim Telefonieren kritzelte sie gedankenverloren auf einen Zettel. Picasso brauche doch ein weibliches Gegenstück, hatte sie als Kind lauthals verkündet, als sie bei ihrer Nachbarin Josefine Bender, ihrer späteren Kunstprofessorin, seine Lebensgeschichte und sein Werk in einem Bildband entdeckte. Dank Josefines Anregung fing Ina damals an, Maltechniken zu üben und sich an den alten Meistern zu orientieren. Anfangs interpretierte sie deren Werke auf spielerische Weise, erfasste die Motive und gab sie auf kindliche Art wieder. So faszinierte sie an Rembrandts »Flötenspieler« hauptsächlich das gestreifte Hemd, die Haltung der Flöte erschien ihr weniger wichtig. Das bauschige Barett ließ sie weg und zeigte den Musiker in ihrer Version von vorn, nicht seitlich, wie Rembrandt ihn dargestellt hatte. Später setzte sie ihren Ehrgeiz in täuschend echte Kopien um, beschäftigte sich mit Pigmenten, dem Grundstoff aller Farben. Rührte sich eigene Malmittel nach alchimistischen Rezepten an, schuf Bilderreihen, dachte sich Geschichten dazu aus. Ihre Umgebung löste sich in Farben auf. Ina brauchte nur einen Bildausschnitt zu wählen, um zu beginnen. Von klein auf war ein Pinsel oder ein Bleistift für sie die Verlängerung ihrer linken Hand gewesen, mit der sie ihre Umgebung oder ihre Träume einfing. Als sie kurz vor ihrem dreißigsten Geburtstag ihre Gabe verlor, verlegte sie sich ganz auf die Förderung anderer. Seither versuchte sie ihre Kollegen zu inspirieren und zu motivieren. Sie bestärkte sie, nie aufzugeben. Niemals, nicht wie sie.

Sie seien beide erschöpft, fuhr Doris fort, und müssten sich eingestehen, dass die Galerie am Ende sei. München werde immer teurer, es gebe kaum noch finanzierbare Nischen für Kunst und Künstler. Im Vergleich mit den vielen anderen kleinen Galerien, die in den vergangenen Jahren geschlossen hatten, hätten sie erstaunlich lange durchgehalten. Ina hörte weg, suchte in ihrer Handtasche nach einem Taschentuch und stieß dabei wieder auf den Auktionskatalog mit dem Lesezeichen bei dem Bild, das ihr am Tag vorher aufgefallen war.

Die Verbindung zum Telefonbieter war abgebrochen. Geduldig warteten das Publikum und der Auktionator, bis die Leitung wieder stand. »Siebentausendfünfhundert. Zum ersten …« Wieder zückte jemand seine Nummer. Der Preis ging weiter nach oben, bei achttausendzweihundert Pfund hob der Auktionator den Hammer. Kunst brauchte Mut. Trauen und Vertrauen. Inas Künstler setzten auf sie. Sie riss die Plakette aus dem Katalog und hielt sie hoch.

»Achttausenddreihundert, die Nummer siebenhundertzwölf.« Ein Rascheln ging durch die Reihen, Gesichter wandten sich um, Blicke trafen sie.

Ina schluckte gegen das Herzklopfen an.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Neuausgabe
Erscheinungsjahr
2025
ISBN (eBook)
9783989526471
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2025 (März)
Schlagworte
Historischer Roman Liebesroman Kunst Roman Renaissance Roman Leonardo da Vinci Roman Das Mädchen mit dem Perlenohrring Das Portrait einer Ehe Tracy Chevalier Noah Martin eBook
Zurück

Titel: Das Gemälde der Principessa