Die Lautenspielerin
Historischer Roman | Eine mutige Frau kämpft für ihren Glauben und ihren Traum
Zusammenfassung
Anno Domini 1569: Aus ihrer Heimat vertrieben sucht die junge Hugenottin Jeanne gemeinsam mit ihrem Vater in einem sächsischen Dorf Zuflucht vor ihren Verfolgern. Mit Jeannes Lautenspiel und dem Talent ihres Vaters als Instrumentenmacher versucht sie, sich über Wasser zu halten – doch die Dorfbewohner begegnen den beiden mit Misstrauen. Einzig der Tagelöhner Gerwin will Jeanne helfen. Schon bald entspinnt sich zwischen den beiden ein zartes Band, aber die Standesunterschiede machen ihre Liebe unmöglich. Als Jeannes musikalisches Talent auf der Laute sie schließlich über Dresden bis an den Pariser Königshof führt, wagt sie zum ersten Mal wieder auf ein besseres Leben zu hoffen – bis sie in eine dunkle Intrige verwickelt wird, deren Ausgang sich in der Bartholomäusnacht entscheiden soll …
Ein mitreißender historischer Roman der Bestsellerautorin für alle Fans von Sabine Ebert und Peter Dempf.
»Constanze Wilkens hat sich mit ihren Büchern zu meiner Lieblingsautorin entwickelt.« Lovelybooks-Leserin
»Großes Kopfkino.« Lovelybooks-LeserIn
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Über dieses Buch:
Anno Domini 1569: Aus ihrer Heimat vertrieben sucht die junge Hugenottin Jeanne gemeinsam mit ihrem Vater in einem sächsischen Dorf Zuflucht vor ihren Verfolgern. Mit Jeannes Lautenspiel und dem Talent ihres Vaters als Instrumentenmacher versucht sie, sich über Wasser zu halten – doch die Dorfbewohner begegnen den beiden mit Misstrauen. Einzig der Tagelöhner Gerwin will Jeanne helfen. Schon bald entspinnt sich zwischen den beiden ein zartes Band, aber die Standesunterschiede machen ihre Liebe unmöglich. Als Jeannes musikalisches Talent auf der Laute sie schließlich über Dresden bis an den Pariser Königshof führt, wagt sie zum ersten Mal wieder auf ein besseres Leben zu hoffen – bis sie in eine dunkle Intrige verwickelt wird, deren Ausgang sich in der Bartholomäusnacht entscheiden soll …
Über die Autorin:
Geboren an der norddeutschen Küste zog es Constanze Wilken nach einem Studium der Kunstgeschichte, Politologie und Literaturwissenschaft für einige Jahre nach England. Im wildromantischen Wales entdeckte sie ihre Leidenschaft für das Schreiben, aber auch für Antiquitäten. Die Forschungen zur Herkunft seltener Stücke und ausgedehnte Reisen der Autorin sind Inspiration und Grundlage für ihre Romane.
Die Website der Autorin: constanze-wilken.de/
Bei dotbooks erschienen bereits folgende Romane:
»Die Frau aus Martinique«
»Was von einem Sommer blieb«
»Die vergessene Sonate«
»Das Geheimnis des Schmetterlings«
»Die Frauen von Casole d'Elsa«
»Das Licht von Shenmoray«
Weiterhin veröffentliche Constanze Wilken bei dotbooks die folgenden Historischen Romane:
»Die Tochter des Tuchhändlers«
»Die Malerin von Fontainebleau«
»Die Tochter des Steinschneiders«
»Die Lautenspielerin«
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Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.
Titelbildgestaltung: Wildes Blut – Atelier für Gestaltung Stephanie Weischer unter Verwendung eines Motivs von © Adobe Stock / Kathy sowie mehrerer Bildmotive von © shutterstock
eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (mm)
ISBN 978-3-98952-601-3
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Constanze Wilken
Die Lautenspielerin
Historischer Roman
dotbooks.
Widmung
Für meine Eltern
Motto
drum ist nit alle lieb verloren,
lieb hat oft lieb durch lieb geboren
Im rosenton Hans Sachsen. 9. august 1543
Prolog
Languedoc, Montagne de la Séranne
September 1568
Die Sonne senkte sich bereits über den Bergen und tauchte die Landschaft in ein Meer aus Rotorange. Ein älterer Mann und ein junges Mädchen gingen gut gestimmt nebeneinanderher. Der Mann pfiff eine fröhliche Melodie und wechselte den schweren Ledersack von einer Schulter auf die andere.
»O Vater!«, sagte das Mädchen. »Wir hätten nicht so viel einkaufen sollen. Mutter wird uns dafür schelten.« Dabei lachte sie, weil sie natürlich wusste, wie sehr ihre Mutter sich über die Geschenke freuen würde, die sie ihr aus Montpellier mitgebracht hatten.
»Ich hätte auch die goldene Spange noch kaufen sollen, Jeanne! Aber das machen wir, wenn wir dem Apotheker die Theorbe bringen, die er zusätzlich bestellt hat. Welch ein Segen ist dieser großzügige Pillendreher!«
Der Instrumentenbauer Endres Fry war mit dem Ausgang der Verkaufsverhandlungen in Montpellier höchst zufrieden. Im Haus des reichen Apothekers war ein Edelmann zu Gast gewesen, den die erlesene Qualität von Endres’ Handwerkskunst und das Spiel seiner Tochter derart begeistert hatten, dass dieser eine siebenchörige Diskantlaute und eine Theorbe in Auftrag gegeben hatte. Nach schwerer, entbehrungsreicher Zeit schien die Zukunft endlich wieder voller Hoffnung.
Doch die Freude der beiden zerbrach wie die dünne Wand eines Muranoglases in tausend Scherben, als sie an die Weggabelung bei Saint-Guilhem-le-Désert kamen und ihnen Brandgeruch entgegenwehte. Von hier war es nur noch eine kurze Wegstrecke bis zu den Häusern ihrer kleinen hugenottischen Siedlung am Rande der Montagne de la Séranne. Angstvoll sah Jeanne ihren Vater an, der die Stirn runzelte und seinen Schritt beschleunigte. Je näher sie ihrem Heim kamen, desto stechender wurde der Gestank von verbranntem Holz und etwas anderem, Süßlichem, das Jeanne nicht einordnen konnte. Ihr Vater stieß einen gellenden Schrei aus und begann zu rennen. Jeannes Herz setzte einen Schlag aus, und sie fühlte eine nie gekannte, unbeschreibliche Furcht in sich aufsteigen, während sie ihrem Vater folgte, bis ihre Lungen zu bersten drohten.
Und schließlich standen sie am Weg, der in ihren bescheidenen Weiler führte. Welch ein Grauen! Das erste Haus brannte lichterloh, davor lagen die Bewohner: grässlich verstümmelte Leiber, nackt und jeder Würde beraubt. Jeanne schrie und presste sich die Hand vor den Mund, denn der Gestank von Kot und Blut war unerträglich. Selbst den Hund der Familie hatten die Schlächter gemordet, eine Lanze steckte noch in seinem struppigen Körper.
»Christine!«, brüllte ihr Vater wie von Sinnen, warf den Sack auf die Erde und stürzte ans Ende der Häuserreihe, wo sich ihr kleines Gut befand. Jeanne lief hinterher, und ihr Verstand weigerte sich zu begreifen, was sie im Vorbeirennen sah: das Neugeborene ihrer Freundin lag zerteilt neben seiner geschändeten Mutter, das ausgerissene Kinderärmchen neben der mütterlichen Hand, die es noch im Tode greifen wollte. Eine unschuldige Kinderseele konnte weder hugenottisch noch papistisch denken. Welche Bestien waren hier am Werk gewesen? Alles hatten sie verwüstet, als verbreiteten selbst die Tiere den falschen Glauben. Der Eselin des Korbmachers hatten sie den Bauch aufgeschlitzt und das Gedärm herausgezogen, den Korbmacher selbst auf seine Frau gebunden und beide mit einem Spieß durchbohrt.
Endlich gelangten sie zu den Pinien, welche die Grenze ihres Landes markierten, und fanden am stärksten Ast den Knecht erhängt. Ihr Vater rannte auf ihr Haus zu, dessen steinerne Mauern von Ruß geschwärzt waren. Der Dachstuhl war eingestürzt, die Plünderer hatten alles Brauchbare herausgeschleppt, dabei Fenster und Türen zerschlagen und die Stallungen in Brand gesetzt. Die Feuersbrunst musste bis vor kurzem gewütet haben, denn noch rauchte und schwelte es überall. Auch hier hatten die Mörder kein Leben verschont. Die Magd hatten sie geschändet, genau wie die Milchmarie, deren Brüste sich unwirklich weiß von ihrem blutverschmierten Rock abhoben.
»Mutter, o Mutter ...«, flüsterte Jeanne wie ein Gebet und wollte ihrem Vater in die Trümmer ihres Hauses folgen, doch der stieß sie zurück.
»Bleib!«, rief er und verschwand hustend im Rauch.
Weinend stand Jeanne vor den Trümmern ihres glücklichen Lebens und wagte nicht, sich weiter umzusehen. Schließlich kam ihr Vater zurück, das Gesicht versteinert, Kleidung und Haut rußverschmiert. Wie einen kostbaren Edelstein trug er mit beiden Händen einen Haufen Asche vor sich her.
»Gib mir ein Stück Tuch«, sagte er mit heiserer Stimme.
Jeanne hielt ihm ein Taschentuch hin, in welches er die Asche mit zärtlicher Geste gleiten ließ.
»Verwahre sie gut.«
Langsam begriff sie, was er ihr eben in die Hände gegeben hatte, und schluchzte, bis sie keine Tränen mehr hatte, ihr Magen schmerzte und die Augen brannten.
»Gehen wir.« Ohne sich noch einmal umzusehen, ging Endres Fry den steinigen Pfad hinauf zur Straße, sammelte seine Habseligkeiten auf und schlug denselben Weg ein, den sie gekommen waren.
Als sie die Weggabelung hinter sich gelassen hatten, war es bereits dunkel. Er hielt an und drückte seine verzweifelte Tochter lange stumm an sich. Sein Körper wurde von Weinkrämpfen geschüttelt, aber er sagte nichts. Kein Wort des Hasses auf die Mörder kam über seine Lippen.
Sie gingen zurück nach Montpellier und fanden einige Zeit Aufnahme bei dem begüterten Apotheker. Aus edlen Hölzern fertigte Endres ein Kästchen für die Asche seiner Frau. Jeanne spielte stundenlang melancholische Weisen auf ihrer Laute, einem zierlichen Instrument, das auch ihre Mutter beherrscht hatte. Der Tod von Christine Fry, geborener Bergier, hatte alles verändert und die Heiterkeit aus dem Leben derer verbannt, die sie liebten, und wann immer Menschen ihre Religion mit flammender Rede verteidigten, wandte Endres sich ab.
Eines Morgens trat er zu seiner Tochter, die mit ihrer Laute unter einer Pinie saß. »Wir gehen nach Sachsen, Jeanne. Dort lebt mein Ziehvater.«
Kapitel 1
Langsam holperte der Wagen über den gefrorenen Schlamm. Die erhitzten Körper der Ochsen dampften in der eisigen Januarluft, und aus den Nüstern der bulligen Tiere stieg warmer Atem, der sich sogleich in Eiskristalle verwandelte. Geführt wurde der Karren von einem finster dreinblickenden Mann, der sich ständig den Rotz mit seinem dreckigen Ärmel von Mund und Nase wischte. Auf den groben Händen hatten Kälte und harte Arbeit ihre Spuren hinterlassen. Mit einer kurzen Rute schlug er auf die Ochsen ein, denen der unebene Weg große Mühe bereitete. Die tiefen Spurrinnen hatten sich in scharfkantig gefrorene Hindernisse verwandelt, auf denen die Hufe der Zugtiere kaum Halt fanden.
Auf der anderen Seite des Karrens ging schweigend Endres Fry. Sein sehniger Körper wurde von einem dicken Wollumhang und einer Pelzkappe vor der Kälte geschützt. Nervös nestelte er an seinem Gürtel und warf Jeanne, die regungslos auf dem Wagen hockte, besorgte Blicke zu.
»Dort vorn, Herr.« Der Karrenführer zeigte auf eine Ansammlung niedriger Häuser, die sich entlang des Flusses unter Fichten und den nackten Zweigen einiger Laubbäume zu verstecken schienen.
Plötzlich kam Bewegung in Jeanne, deren ebenmäßiges Gesicht skeptisch aus einer samtverbrämten Kapuze hervorlugte. Mit den Armen hielt sie einen unförmigen Sack auf ihrem Schoß umschlungen. Obwohl ihre Lippen blau von der Kälte waren, konnte niemandem verborgen bleiben, dass sie eine Schönheit war. Große, dunkle Augen schätzten unter fein geschwungenen Brauen die armseligen Behausungen ab. »Das kann nicht sein. Jedes Dorf in Frankreich sieht herrschaftlicher aus als diese Hundehütten!«
»Jeanne!« Scharf mahnte sie ihr Vater.
Das Mädchen senkte den Blick und strich liebevoll über den Sack, dessen langes Ende mit einer Kordel verschlossen war, wobei ihre Lippen verdächtig zitterten.
»Jeanne«, sagte Endres nun sanfter, und der bittende Ton ließ das Mädchen den Kopf wenden. »Es ist nicht für immer, und wir müssen dankbar sein, wenn sie uns überhaupt aufnehmen. Wir haben alles verloren. Ohne meine Werkzeuge und ohne das Holz kann ich keine Instrumente bauen und kein Geld verdienen. Und ohne Geld kann ich ...«
»Kein Holz kaufen«, beendete Jeanne den Satz und brachte ein schwaches Lächeln zustande. »Ich weiß, Vater. Es tut mir leid. Ich will mir Mühe geben, aber ... Ich meine, sieh es dir an!«
Endres seufzte tief. Helwigsdorff an der Freiberger Mulde, so nannte sich das schmale Gewässer unter der Eisdecke, war ein einfaches Waldhufendorf im Kurfürstentum Sachsen. Für jemanden, der im warmen Süden Frankreichs aufgewachsen war, mussten der trübe Winterhimmel und die Braun- und Grautöne, in die Boden, Wiesen und Häuser getaucht waren, trostlos erscheinen.
Der Karrenführer spuckte aus. »Hundehütten! Das trifft es irgendwie. Geht mich ja nichts an, aber warum seid Ihr nicht in Frankreich geblieben? Holz gibt es da doch auch. Ihr seid geflohen, weil Ihr Hugenotten seid!«
Endres runzelte die Stirn. »Halt den Mund und bring uns zum Haus des alten Froehner.« Seit Großhartmannsdorf mussten sie die Gegenwart dieses ungehobelten Friedger Pindus ertragen, dessen einzige Sorge der nächste Schluck Selbstgebrannter war. Im Grunde war es ein Wunder, dass er sie ohne Zwischenfälle die schwierige Wegstrecke hergebracht hatte.
Und doch hatte der einfache Karrenführer recht mit seiner Vermutung. Sie waren Hugenotten, und die politische Lage in Frankreich war brisant. Es herrschte Krieg, Bruderkrieg. In Endres’ Augen die furchtbarste Form von Krieg, wenn ehemalige Freunde, Familien, Menschen einer Nation gespalten wurden durch den Glauben. Niemand konnte sich sicher fühlen, weil unter dem Deckmantel des Glaubenskampfes Bespitzelung, Neid und Verrat die finstersten Abgründe der menschlichen Seele zutage brachten. Ausgerechnet jetzt wurde Frankreich von Karl IX., einem jungen, schwachen Herrscher, und dessen Mutter, der Italienerin Katharina de Medici, regiert. Die Königinmutterbetrieb eine intrigante, machiavellistische Politik, doch die religiöse Spaltung des Landes konnte sie nicht aufhalten. Sie stand zwischen zwei mächtigen Interessengruppen, den katholischen Guisen und den protestantischen Bourbonen. Die von Katharina propagierte relative religiöse Toleranz war 1562 im Edikt von Saint-Germain-en-Laye sanktioniert worden, doch das Massaker von Vassy hatte die Konflikte erneut und mit weit größerer Schärfe als zuvor ausbrechen lassen.
So griffen Katholiken in Troyes, Meaux oder Sens protestantische Gläubige auf dem Weg zu ihren Gottesdiensten an, obwohl offiziell festgelegt worden war, dass protestantische Versammlungen in jeder Landvogtei abgehalten werden durften. Willkürlich wurden Häuser von wohlhabenden Hugenotten geplündert, so dass viele Familien ins lutherische Straßburg flohen. Erschwerend kam hinzu, dass die Hugenotten in zwei Lager gespalten waren: Die Konservativen wollten die strengen Glaubensgrundsätze, die in Genf propagiert wurden, durchsetzen, während die Liberalen darin eine Gefahr für die gesamte Sache sahen.
Endres konnte nur den Kopf schütteln über so fanatische Glaubensbrüder wie die anciens von Troyes, welche auf der Ausgabe einer méreau an fromme Gläubige bestanden. Gläubige, die nicht im Besitz dieser Münze waren, wurden vom Abendmahl ausgeschlossen.
Vor diesem Hintergrund hatte Endres mit seiner Tochter die beschwerliche Reise nach Sachsen unternommen. Im protestantischen Sachsen herrschte Kurfürst August, der dem für seine Toleranz in Konfessionsfragen bekannten Kaiser Maximilian II. nahestand und sich um den Religionsfrieden von Augsburg verdient gemacht hatte. Hier hofften sie auf eine friedliche Zeit.
Friedger schnäuzte auf den Weg, indem er sich ein Nasenloch zuhielt. »Ha! Jetzt weiß ich es! Ihr seid der Ziehsohn des alten Froehner!« Triumphierend knallte er die Rute gegen das Joch der Ochsen.
Endres und Jeanne schwiegen, was den neugierigen Karrenführer nicht störte. »Abgehauen seid Ihr damals. Die Leute haben noch lange darüber gerätselt, was vorgefallen ist zwischen Ulmann und Euch. Einige behaupten ja, Ihr hättet das Land verlassen müssen, weil ...«
»Es reicht! Spar dir deine Lügengeschichten fürs Wirtshaus«, fuhr Endres ihn an.
Doch Friedger Pindus focht das nicht an. »Dann seid Ihr in der Fremde ein reicher Hugenotte geworden, so ist es doch? Das erhöht natürlich die Fahrtkosten.« Er rülpste laut und grinste.
Angewidert schloss Jeanne die Augen und drückte ihre Laute, die sie zum Schutz gegen Kälte und Nässe in Tücher geschlagen hatte, an sich. Von einem Zufluchtsort und einem Neuanfang hatte ihr Vater gesprochen, doch die Ahnung wuchs, dass man sie kaum herzlich willkommen heißen würde. Mit der Zunge fuhr sie sich über die aufgesprungenen Lippen und wischte sich eine Träne von der Wange. Die Haut spannte unter der Kälte, und nicht nur die Angst vor dem Ungewissen ließ sie zittern.
»Jeanne, gleich sind wir da.« Ihr Vater drückte sanft ihren Arm. »Thomas ist ein guter Mann, glaub mir. Er war immer gerecht und wird uns helfen.«
Sie räusperte sich und blinzelte in den kalten Wind, der vom Fluss heraufwehte.
»Habe ich doch recht, dass Ihr den alten Cistermacher kennt«, meinte Friedger und schlug erneut die geschundenen Ochsen. Man hatte den Tieren Ringe durch die Nasen gezogen und daran Seile geknüpft, an denen er gelegentlich riss, obwohl die Tiere keine Anstalten machten auszubrechen. Es schien ihm Freude zu bereiten, die Tiere zu quälen.
Im schwächer werdenden Licht des sich neigenden Tages wirkten die Häuser noch düsterer. Irgendwo bellte ein Hund, ein Kind weinte. Der eisige Wind drang selbst durch die vielen Schichten dichter Wolle und hielt die Menschen in ihren Häusern, deren Fensterläden meist zugeklappt waren. Aus einer niedrigen Kate traten zwei Männer auf die Straße. Der eine hinkte und stützte sich schwer auf einen Gehstock. Der andere, jüngere wandte sich noch einmal um und zog aus einer ledernen Umhängetasche ein kleines Bündel Kräuter und gab es der in der Tür wartenden Frau.
»Fahrende Händler zu dieser Jahreszeit?«, fragte Endres.
»Ph!« Friedger spuckte aus. »Der Alte heißt sich Wundarzt, ist aber nichts weiter als ein Quacksalber. Der andere ist mein Sohn. Der Taugenichts sollte arbeiten, um Geld nach Haus zu bringen, meint aber, er wäre zu was Großem auserkoren. Gelumpe!« Das letzte Wort rief Pindus so laut, dass die beiden Männer es hörten und sich umdrehten.
Jeanne sah, wie der Wundarzt die Hand auf den Arm des Jüngeren legte, der seinem Vater einen Blick zuwarf, in dem Wut, Verachtung und Scham lagen. Als er das Kinn hob, fiel sein Blick auf Jeanne, und ihre Augen trafen sich. Er hatte ein offenes Gesicht mit klaren Zügen. Verwirrt senkte Jeanne die Lider und spürte den Blick des Unbekannten noch in ihrem Rücken, als sie schon längst vorübergefahren waren und einen Platz mit einer riesigen Eiche erreicht hatten. Der knorrige alte Baum behauptete sich stolz vor dem Haus des ältesten Mitglieds der Familie Froehner, die auch im nahen Randeck Werkstätten betrieb.
»So, da wären wir!« Pindus hievte das wenige Gepäck, das aus zwei Ledersäcken bestand, vom Karren.
»Zwanzig Jahre«, murmelte Endres und betrachtete die rissigen Hauswände und das eingedrückte Dach, welches notdürftig mit Stroh geflickt war. Direkt an das einstöckige Wohnhaus grenzte der Stall, aus dem lautes Quieken und Schnattern ertönte.
»Die haben wenigstens noch ein Schwein und Federvieh. Ich weiß nicht, wie ich meine Brut durchkriegen soll. Verfressene Bande, liegen faul rum, während ich zusehen muss, wie ich die Mäuler stopfe«, beschwerte sich Friedger und warf den zweiten Sack auf die Erde, wo er scheppernd zu liegen kam.
Details
- Seiten
- Erscheinungsform
- Neuausgabe
- Erscheinungsjahr
- 2025
- ISBN (eBook)
- 9783989526013
- Sprache
- Deutsch
- Erscheinungsdatum
- 2024 (Dezember)
- Schlagworte
- Historischer Roman Historienroman Bestsellerautorin Renaissance Roman Historischer Liebesroman Manuela Schörghofer Sabine Ebert Peter Dempf Neuerscheinung eBook