Die Madonna von Forlì
Historischer Roman | Die Geschichte der Frau, die den Machtkampf mit Cesare Borgia riskierte
Zusammenfassung
Italien gegen Ende des 15. Jahrhunderts. Als Tochter des mächtigen Herzogs von Mailand führt die schöne Caterina Sforza ein sorgloses Leben. Doch auch wenn die leidenschaftliche junge Frau am liebsten ihren Gedanken nach Freiheit und persönlichem Glück nachhängt, ist ihr ein anderes Leben vorherbestimmt: In Rom wird sie gegen ihren Willen mit dem skrupellosen Neffen des Papstes verheiratet – und sprengt schon bald ihren goldenen Käfig, indem sie sich in die Politik des Vatikans einmischt. Als Papst Sixtus stirbt, wagt Caterina, sich allein gegen die mächtigen Kardinäle – allen voran den mächtigen Cesare Borgia – zu stellen. Unerschrocken bricht sie mit ein paar Getreuen auf, um die Engelsburg, das uneinnehmbare Kastell der Päpste, zu erobern …
»Frederik Berger, ein großer Meister historischer Romane, versteht, den Leser von der ersten bis zur letzten Seite gefangen zu nehmen.« Bücherschau
Ein farbenprächtiger historischer Roman über das Leben der Caterina Sforza: Ein Leben voller Liebe, triumphaler Siege und tragischer Verluste – Fans von Matteo Strukul werden begeistert sein!
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Über dieses Buch:
Italien gegen Ende des 15. Jahrhunderts. Als Tochter des mächtigen Herzogs von Mailand führt die schöne Caterina Sforza ein sorgloses Leben. Doch auch wenn die leidenschaftliche junge Frau am liebsten ihren Gedanken nach Freiheit und persönlichem Glück nachhängt, ist ihr ein anderes Leben vorherbestimmt: In Rom wird sie gegen ihren Willen mit dem skrupellosen Neffen des Papstes verheiratet – und sprengt schon bald ihren goldenen Käfig, indem sie sich in die Politik des Vatikans einmischt. Als Papst Sixtus stirbt, wagt Caterina, sich allein gegen die mächtigen Kardinäle – allen voran den mächtigen Cesare Borgia – zu stellen. Unerschrocken bricht sie mit ein paar Getreuen auf, um die Engelsburg, das uneinnehmbare Kastell der Päpste, zu erobern …
Über den Autor:
Frederik Berger (geboren 1945 in Bad Hersfeld) studierte Literatur- und Sozialwissenschaften und lebte einige Zeit im englischen Cambridge und in der Provence. Er arbeitete als Literaturwissenschaftler und Journalist, bevor er hauptberuflich Schriftsteller wurde. Neben Gegenwartsromanen, Sachbüchern und zahlreichen Aufsätzen verfasste er verschiedene historische Romane über den Glanz und die Schatten europäischer Adelsfamilien. Frederik Berger reist viel und ist begeisterter Fotograf. Er lebt mit seiner Frau in Schondorf am Ammersee.
Die Website des Autors: frederikberger.de
Der Autor auf Instagram: instagram.com/fritzgesing/
Bei dotbooks veröffentlichte der Autor seine historische Romantrilogie »Das Siegel der Farnese« mit den Bänden »Die Geliebte des Papstes«, »Die Tochter des Papstes« und »Die Kurtisane des Papstes«. Außerdem erschienen seine opulenten historischen Romane »Die heimliche Päpstin«, »Die Provençalin«, »Der Gang nach Canossa«, »Die Schwestern der Venus«, »Die Madonna von Forlì« und »Der Botschafter des Kaisers«.
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Dieses Buch erschien 2004 als Taschenbuch-Ausgabe unter dem Titel »La Tigressa« bei Aufbau.
Copyright © der Originalausgabe Rütten & Loening Berlin GmbH, 2002
Copyright © der Neuausgabe 2025 dotbooks GmbH, München
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.
Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design unter Verwendung von Shutterstock/John Erickson, 4zevar und die Digitale Bibliothek München
eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (mm)
ISBN 978-3-98952-699-0
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Frederik Berger
Die Madonna von Forlì
Historischer Roman
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WIDMUNG
Für Patricia
MOTTO
Caterina Sforza, signora di Forlì, impavida col ferro e col fuoco difese la sua rocca, mirabile esempio di energia e di valore al tramonto del triste secolo XV.
Caterina Sforza, die Herrin von Forlì, verteidigte unerschrocken mit Feuer und Schwert ihre Burg, ein bewundernswertes Beispiel an Tatkraft und Tapferkeit am Ausgang des traurigen 15. Jahrhunderts.
Gedenkstein an der Rocca von Forlì
TEIL I
DIE SCHLANGE UND DIE ROSE
KAPITEL 1
Caterina war wütend. Soeben hatte die neunte Stunde vom Torturm des Castello Sforzesco geschlagen, Girolamo mußte jeden Augenblick erscheinen. Täglich galoppierte er auf Brutus, seinem Rappen, in den Innenhof des herzoglichen Palasts, sprang mit einem Satz aus dem Sattel, und Caterina mußte an sich halten, ihm nicht in die Arme zu fliegen. Sie liebte ihren lockigen Reitlehrer aus dem alten Mailänder Adelsgeschlecht der Olgiati, weil er stark und sanft war, atemberaubende Kunststücke auf dem Rücken seines Pferdes beherrschte und ihr alle Tricks zeigte, wie sie Maestoso, ihren Schimmelhengst, zu reiten habe.
Heute jedoch hatte ihre sehnsüchtige Vorfreude ein jähes Ende gefunden. Ihr Vater, Galeazzo Maria Sforza, der Herzog von Mailand, hatte ihr verboten, mit Girolamo das Castello zu verlassen und in das angrenzende Parkgelände zu reiten.
»Es ziemt sich nicht für die Tochter eines Herzogs«, hatte er ihr vom Rücken seines Pferdes zugerufen. »Wenn ihr zusammen reiten wollt, dann bleibt im Hof der Zitadelle. Denk daran, daß du kein Kind mehr bist. Irgendwann endet das verantwortungslose Leben.«
Sie verstand ihn nicht. Was war heute anders als gestern? Wäre sie heute fünfzehn Jahre alt geworden und damit ins heiratsfähige Alter gekommen – dann hätte sie ihn vielleicht verstanden. Aber sie war erst dreizehn! Sonst verbot er ihr nie etwas. Er nahm sie mit auf die Jagd und spielte mit ihr pallacorda, sie durfte beim Nachtmahl an seiner Seite sitzen und wurde von ihm immer wieder in die Arme genommen. Meist roch er wunderbar nach Zedernbalsam. Zu ihrem zwölften Geburtstag hatte er ihr Maestoso geschenkt. Einen stolzen andalusischen Hengst! Solche Pferde waren rar und teuer. Außerdem wurden Hengste nur von Männern geritten, von erfahrenen Reitern. Aber sie konnte mit Pferden umgehen wie keine zweite, das wußte ihr Vater, und mit einem braven, gutmütigen Gaul mochte sie sich nicht zufrieden geben.
Caterina starrte ihrem Vater nach, wie er, begleitet von ein paar Soldaten, durch das Nordtor verschwand, ohne sich noch einmal umzudrehen. Ungezügelt fuhr sie sich in ihre strenggeflochtenen Haare und stieß einen leisen trotzigen Schrei aus. Warum mußte der Vater ihr gerade heute ihre größte Freude nehmen! Zum ersten Mal war es ihr gelungen, sich beim Reiten auf Maestosos Kruppe zu stellen – und dieses Kunststück wollte sie Girolamo vorführen.
»Ich reite, wann und mit wem und wohin ich will!« rief sie ihrem Vater nach. Natürlich konnte er sie nicht mehr hören.
Als sich Girolamo endlich hinter einer Reihe schwerbeladener Maultiere durch das Tor schob, sah sie bereits an seiner Miene, daß der Vater auch ihm sein Verbot mitgeteilt haben mußte. Caterina sprang ihm entgegen, ihr Herz schlug bis hoch in den Hals. Girolamo, mit Brutus am Zügel, begrüßte sie knapp.
»Wir müssen im Großen Hof reiten. Wie langweilig! Aber Seine Herrlichkeit hat es so befohlen.« In höhnischer Verachtung verzog er seinen Mund. »Also auf, gehorchen wir dem Sohn eines Condottiere und einer illegitimen Visconti-Tochter!«
Caterina überging den Seitenhieb gegen ihren Vater, berührte Girolamo wie unabsichtlich und flüsterte ihm zu: »Ich muß dir heute etwas zeigen.«
Er wirkte wenig neugierig, und sie erfaßte erneut trotzige Wut gegenüber dem väterlichen Verbot. Sie ärgerte sich allerdings auch ein wenig über Girolamos Verhalten.
»Laß uns in den Park reiten«, flüsterte sie ihm ins Ohr. Gleichzeitig schaute sie, ob jemand sie beobachtete. Die Wachen lungerten gelangweilt im Torschatten, die Gärtner harkten die Rabatten, und die Händler ließen ihre Lasten vom Rücken ihrer Maultiere abladen. Bona, ihre Stiefmutter, die morgens gerne am Brunnen des Cortile stickte und sich dabei von Caterinas Musiklehrer schmachtende Lieder vorsingen ließ, war noch nicht erschienen. Niemand beachtete Caterina, und sie sah Girolamo auffordernd an.
»Du weißt doch, daß es dein Vater verboten hat«, sagte er unschlüssig.
Caterina zog verächtlich die Augenbraue hoch. »Du bist ein Feigling!« rief sie leise. »Mein Vater ist längst weg. Der kommt so schnell nicht wieder.«
»Die Torwachen sehen uns ...«
»Sie sagen nichts. Und wenn: Ich werde mit meinem Vater schon fertig.«
Girolamo schaute noch immer skeptisch.
»Nur in den Park! Ich muß dir unbedingt etwas zeigen.« Sie schwang sich in den Sattel.
Girolamo folgte ihr.
Ohne sich umzublicken, trabte Caterina durch das Tor. Einige der Wachsoldaten schauten erstaunt, aber keiner rief ihr etwas nach. Kaum lag der letzte Wassergraben hinter ihr, galoppierte sie los, als sei die Armee des Teufels ihr auf den Fersen.
Maestoso flog mit ihr an einer Baumgruppe entlang und durch einen Hohlweg zu einer Lichtung, die von Sonnenstrahlen durchschnitten war. Als sie auf eine freie Wiese hinausstürmte, mußte sie geblendet die Augen schließen. Hinter ihr hörte sie Girolamos Anfeuerungsrufe und die donnernden Hufe seines Wallachs. Dann schloß er auf. Als sie nebeneinander galoppierten, stellte er sich auf Brutus’ Kruppe, der auf seinen Befehl hin langsamer wurde. Caterina zügelte Maestoso ebenfalls. Vorsichtig zog sie die Beine an, kniete sich auf den Sattel und stellte sich ebenfalls. Es gelang ihr! Sie juchzte auf.
»Bravo!« schrie Girolamo. »Du bist meine Göttin!«
Beide Pferde bewegten sich fast im Gleichschritt. Girolamo reichte Caterina die Hand. Sie nahm sie, hielt sie fest. Was für ein unglaubliches Gefühl der Leichtigkeit und Unbesiegbarkeit! Sie schwebte, sie flog! Es war, als würden die langmähnigen Rosse des Sonnengottes sie bis in den siebten Himmel tragen.
Vor einer Gruppe von Schirmpinien blendete sie die Sonne, und als sie in den Schatten der Bäume tauchte, sah sie auf einmal nichts mehr und wurde einen Augenblick unsicher. Sie verlor Girolamos Hand, schon taumelte sie. Sie versuchte, sich auf den Sattel zu retten, aber es gelang ihr nicht, ein Wirbel aus Pinienhimmel, Pferdeleibern, Girolamos erschrockenen Augen, und dann ein dumpfer Schlag. Sie sah Sterne. Die Luft blieb ihr weg. Sie konnte nicht atmen. Auch dann nicht, als Girolamos ängstliches Gesicht über ihr auftauchte. Da erschien Maestoso und stupste sie mit seinem Maul. Sie wollte etwas sagen, stöhnte nur.
»Hast du dich verletzt?« hörte sie von ferne. Girolamo beugte sich nieder, nahm ihren Kopf in seine Arme.
Warum küßt er mich nicht? dachte sie noch, dann wurde ihr schwarz vor Augen.
Irgendwann kam sie wieder zu sich. Sie versuchte zu lächeln. Girolamo schrie auf vor Freude. Er bedeckte ihr Gesicht mit Küssen, drückte ihren Kopf an seine Brust.
»Tut dir etwas weh?«
Sie schüttelte den Kopf. Sie war lediglich ein wenig benommen. Unaufhörlich küßte er sie, auf die Stirn, auf die Augen und schließlich auf die Lippen.
»Ich liebe dich«, flüsterte er und drückte sie so an sich, daß ihr erneut die Luft wegzubleiben drohte.
Schließlich zog er sie an den Stamm der Pinie und lehnte sie an die rauhe Rinde. Ihr ging es schon wieder gut. Es roch wunderbar nach Harz und frischem Gras. In der Nähe mußten Veilchen blühen. Caterina atmete tief durch. Die Pferde rupften zufrieden die Halme, vertrieben mit leichten Schweifschlägen die Fliegen. Ihr war tatsächlich nichts geschehen bei dem Sturz. Daß sie eine Weile nicht atmen konnte, kannte sie aus ihrer Kindheit. Sie war oft gestürzt, nie hatte sie sich etwas gebrochen, lediglich eine Narbe über dem Auge davongetragen.
Bis auf den Tod darnieder lag sie in ihrem bisherigen Leben lediglich einmal, mit einem gräßlich juckenden Ausschlag, hohem Fieber und Kopfschmerzen, daß sie fast aus dem Fenster gesprungen wäre. Immer saß die Großmutter an ihrem Bett, hielt ihre Hand, legte ihr einen nassen Lappen auf die Stirn, sprach leise mit einem Medicus und betete. Manchmal las sie ihr auch Geschichten von griechischen Heldinnen vor. Dann kam sogar ihr Vater von einem Kriegszug zurück. Ihretwegen! »Du darfst nicht sterben!« rief er aufschluchzend aus. »Du bist mein Liebling!« Sie wollte ihn trösten, weil er so mit ihr litt, und gewiß nicht sterben, sondern immer sein Liebling bleiben. Er legte sich sogar zu ihr ins Bett, nahm sie in den Arm und weinte! Es war das einzige Mal, daß sie ihn weinen sah.
Prompt wurde sie wieder gesund.
Jetzt dagegen war gar nichts geschehen. Sie war nur glücklich. Girolamos Lippen näherten sich ihr wieder. Sie kam ihm entgegen, und beide sanken sie auf den Boden. Ihre Körper umklammerten sich, süße, drängende Schauer rasten durch ihr Inneres, sammelten sich im Unterleib, dort, wo die Ehre einer Jungfrau gehütet werden mußte. Ihre Stiefmutter hatte ihr kürzlich flüsternd und stockend erklärt, was geschah, wenn Männer und Frauen sich liebten, und sofort betont, sie, des Vaters Augapfel, müsse auf ihre Jungfräulichkeit besonders achtgeben, weil sie sonst keinen Mann finde, im Kloster lande und dort vertrockne wie eine wurmige Backpflaume, die auf den Boden gefallen sei ...
Girolamo hatte seine Zunge zwischen ihre Lippen geschoben. Caterina wollte sie zurückdrängen, sie ließ sich jedoch nicht vertreiben, sondern spielte mit ihrer Zunge. Während sie dieses Spielchen fortsetzten, ergriff Girolamo ihre Hand und führte sie unter den Saum seines Wamses. Da bewegte sich etwas, wurde dick und hart. Er stöhnte auf, wand sich wie vor Schmerzen, und als sie schon glaubte, er hätte sich irgendwie verletzt, warf er sich über sie, preßte sich an sie, zuckte mit den Beinen und sank schließlich kraftlos neben sie. Sie schaute in sein Gesicht. Er hatte die Augen geschlossen, lächelte entspannt und glücklich. Sie bettete ihren Kopf auf seine Brust. Stumm fuhr er mit seinen Fingern in ihre dichten Haare und bedeckte mit ihnen sein Gesicht.
Sie lagen lange reglos unter dem Dach der Pinie, während durch die Zweige die Strahlen der Sonne auf sie fielen, und als Caterina die Augen schloß, bildeten sich orangefarbige Ringe, die ineinanderflossen, sich vereinigten, explodierten und dann wieder zu hellen Punkten schrumpften, während gleichzeitig die Vögel um sie herum ihre Gesänge in den Himmel schmetterten.
Plötzlich hörte Caterina ein dumpfes Dröhnen, das sich ihnen rasch näherte. Sie fuhr auf. Ein Dröhnen von vielen Pferdehufen! Auch Girolamo schreckte hoch. Da donnerten sie heran! Vorneweg ihr Vater, neben ihm Onkel Lodovico. Ihnen folgten Jagdaufseher, Falkner und mehrere Milizionäre. Einen Augenblick hoffte Caterina, sie und Girolamo könnten unentdeckt bleiben. Die Fuchsstute ihres Vaters wieherte, als wollte sie sie warnen, und schon hatte er sie entdeckt. Er riß das Pferd herum, die anderen folgten ihm. Rot vor Wut sprang er aus dem Sattel. Girolamo hatte sich erhoben, half Caterina auf die Beine.
»Wie kannst du es wagen ...?« schrie ihn der Vater an. »Gegen mein Verbot ... Du Ratte!«
Girolamo zuckte zurück, reckte dann stolz den Kopf und funkelte ihn an. Caterina ahnte, was nun geschehen würde. Bevor sie sich dazwischenwerfen konnte, schlug der Vater ihm mit der flachen Hand ins Gesicht, und als Girolamo nicht einen Schritt zurückwich, sondern Augen und Lippen zusammenpreßte, schlug er mit der Faust zu. Die Jagdgesellschaft bildete einen stummen, undurchdringlichen Ring. Girolamos Verhalten reizte den Vater noch mehr, das sah Caterina. Eine falsche Bewegung oder ein falsches Wort – und der Vater würde seinen Dolch ziehen.
Zum Glück warf sich Girolamo auf die Knie und rief: »Verzeiht mir, großmütiger Herzog!« Es klang wie Hohn. Er wiederholte seine Worte mit zitternder Stimme. Der Vater riß einem der Milizionäre einen Degen vom Gürtel und peitschte mit der Klinge auf Girolamo ein.
»Hör auf!« schrie Caterina.
Der Vater hielt inne, warf ihr einen bösen Blick zu, preßte Girolamo die Spitze des Degens unters Kinn, stieß »Wag es noch einmal, elende Ratte!« aus, warf dann den Degen dem Milizionär zu und schwang sich wieder auf sein Pferd. Er winkte seinen Begleitern, und die Gruppe donnerte davon. Der Vater hatte sie keines weiteren Blickes mehr gewürdigt, lediglich Onkel Lodovico drehte sich um und grinste höhnisch. Sie streckte ihm wütend die Zunge heraus.
Girolamo erhob sich langsam. Er zitterte, und sein Gesicht war bleich wie der Tod. Während er sein Wams zurechtzupfte, starrte er der Reitergruppe nach, die nun hinter einem Wäldchen verschwand. Caterina wollte ihn in den Arm nehmen, aber irgend etwas hielt sie zurück. Girolamos Gesichtszüge verzerrten sich. Sie wußte nicht, ob die Wut ihm diese Grimasse ins Gesicht schrieb oder ob er nur ein Aufheulen zu unterdrücken versuchte. Mit marionettenhaften Bewegungen griff er nach Brutus’ Zügeln, warf Caterina einen schmerzlich-liebenden, aber auch verwundeten und wütenden Blick zu, sprang in den Sattel und jagte in gestrecktem Galopp davon.
»Warte!« rief sie ihm nach. Er drehte sich jedoch nicht mehr um.
Langsam wandte Caterina sich Maestoso zu. Der Hengst war herangekommen, streckte ihr den Kopf entgegen und schaute sie mit seinen großen Augen an. Sie drückte ihre Wange an seinen Hals, kraulte ihn zärtlich hinter den Ohren und sog den Geruch seines rauhen Fells ein. Die Vögel um sie herum lärmten noch immer, als sei nichts geschehen. Caterina sah Girolamo nun hinter einem Hügel verschwinden.
Langsam stieg sie in den Sattel und trabte weinend zum Castello zurück.
Kaum war sie dort angekommen, erwartete sie bereits der Haushofmeister und bat sie, sich sofort bei der Herzogin zu melden. Sie wischte sich die Tränen aus dem Gesicht und schlich mit gesenktem Kopf zum Empfangsraum ihrer Stiefmutter.
»Wie siehst du aus!« rief ihr Bona entgegen. »Mit aufgelösten Haaren, geröteten Augen, voller Schmutz! So wird dich nie ein Mann heiraten.«
»Ich werde nicht heiraten«, antwortete Caterina trotzig.
Bona lachte sie aus. Die dreifache Perlenkette tanzte auf ihrer hervorquellenden Brust. Sie fühlte, ob ihr Netz noch ordentlich auf den schwarzen Haaren lag, warf das Flohpelzchen zur Seite und streckte Caterina die Arme entgegen.
»Komm her, mein Wildfang!« rief sie, und plötzlich verspürte Caterina ihr gegenüber eine intensive Zuneigung. Als müsse sie Schutz suchen, flog sie an Bonas weichen, nach Nelken und Lavendel duftenden Busen.
»Ich kann mir denken, was ihr angestellt habt. Dein Vater sprach mich bereits auf den jungen Olgiati und eure Ausritte an.« Bona strich ihr beruhigend über die Haare.
Schluchzend erzählte Caterina, was geschehen war.
Bona hörte ihr geduldig zu, nickte immer wieder. Als Caterina schließlich schwieg, nahm sie ihre Hand, schaute ihr in die Augen und sagte leise: »Du darfst deinen Vater nicht reizen, auch wenn du seine Lieblingstochter bist. Wenn sich jemand seinen Befehlen widersetzt – und seine Eitelkeit gekränkt wird ... Es sind bereits einige Männer in Mailand eines unnatürlichen Todes gestorben, verstehst du? Dein Reitlehrer muß sich in acht nehmen. Oder möchtest du etwa, daß ihm etwas zustößt?«
KAPITEL 2
Caterina sah Girolamos schön geschwungene Lippen und seine dämmergrauen Augen vor sich, mit einem Lächeln beugte er sich über sie – wie nach seinem Sieg beim Palio, damals, als sie sich in ihn verliebt hatte ...
Langsam wich das süße Traumbild, sie öffnete die Augen. Sterne tanzten, gereiht wie eine Perlenkette, durch ihr Zimmer. Es waren jedoch keine Sterne, sondern Staubkörnchen, die ein scharfer Sonnenstrahl traf.
Noch einmal schloß Caterina die Augen, um Girolamos Antlitz zurückzurufen. Nun umgab sie Schwärze, in die Taubengurren und Dohlenrufe, ja sogar Krähengekrächze drangen. Sie haßte Krähen. Überhaupt alle Aasvögel – im Gegensatz zu Singvögeln, mit denen sie seit ihrer Kindheit spielte und deren Gesang sie mit Hingabe lauschen konnte. Im Nebenzimmer, bei Rosaria, ihrem Kammermädchen, reihten sich mehrere Käfige mit Kanarienvögeln, Zeisigen und Stieglitzen. Wenn sie sich nicht gerade im Lateinunterricht quälte oder mit dem Musiklehrer Lautezupfen übte, nahm sie die weichen Vögelchen aus den Käfigen, ließ sich picken, gab ihnen sogar Küßchen und redete mit ihnen. Dies hatte sie Fra Lauro, ihrem Beichtvater, abgeschaut, der auch die Vögel liebte und heimlich zu ihnen sprach.
Sie setzte sich auf, ließ sich dann zurück in die Kissen fallen. All die Traumbilder von Girolamo hatten sich aufgelöst. Seit Tagen war er nicht mehr im Castello erschienen. Daran trug ihr Vater die Schuld: Er hatte ihn geschlagen und gedemütigt, und nun liebte Girolamo sie vermutlich nicht mehr.
Natürlich hatte sie den Vater auf sein Verbot angesprochen, aber er wollte sich auf keine Diskussion einlassen. Als sie vor Wut schrie, lief er plötzlich dunkelrot an und gab ihr eine schmerzhafte Ohrfeige. Vor lauter Schreck heulte sie auf. Er nahm sie sofort tröstend in den Arm und erklärte schließlich: »Du wirst älter, mein Herz, wir müssen dich auf die Ehe vorbereiten. Auch Bona sagt, daß du zu frei aufwächst, das macht eine unzufriedene, wenn nicht gar unglückliche Ehefrau. Keiner hindert dich am Reiten, du darfst jedoch nicht mehr ohne Aufsicht mit einem jungen Mann gesehen werden. Eine Sforza ist erste Wahl, selbst eine illegitime Sforza. Es gibt genügend ehrgeizige Emporkömmlinge, die mit Hilfe einer reichen Tochter aus bestem Hause ... Den Olgiati mußt du dir auf jeden Fall aus dem Kopf schlagen.«
Details
- Seiten
- Erscheinungsform
- Neuausgabe
- Erscheinungsjahr
- 2025
- ISBN (eBook)
- 9783989526990
- Sprache
- Deutsch
- Erscheinungsdatum
- 2025 (Januar)
- Schlagworte
- Historienroman Historischer Roman Italien Renaissance-Roman Rom-Roman Borgia-Roman Ken Follett Matteo Strukul Iny Lorentz Venedig-Roman eBooks